Facebook und Twitter allein taugen nicht

Durch aktive und teilweise öffentlich gestaltete Service-Kommunikation ergeben sich Chancen. In den vergangenen Jahren haben einige Unternehmen versucht, diese Service-Kommunikation über die großen sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter abzudecken. Ich glaube nicht, dass dies langfristig funktioniert. Unter anderem aus folgenden Gründen:

  1. Die Nutzerbeiträge in sozialen Netzwerken sind für andere Nutzer nicht durchsuchbar. Die Kundenlösungen lassen sich somit schlecht vermarkten.
  2. Die früher proklamierten viralen Effekte gibt es nicht (mehr). Es entstehen kaum Effekte an den Call-Lines.
  3. Suchmaschinen wie Google listen die Nutzerbeiträge zu großen Teilen nicht auf.
  4. Die Back-Office-Anbindung an das Service-Center ist sehr schwierig.
  5. Es gibt Datenschutz-und Nutzer-Migrationsprobleme mit eigenen CRM-Systemen.

Eigene Service-Community mit Satelliten

Aus diesem Grund geht der Trend mittlerweile zur Service Community direkt auf der Anbieterseite und die sozialen Netzwerke fungieren eher als ihre Satelliten. Genau eine solche Service Community haben wir bei Kabel Deutschland unter www.diekabelhelden.de aufgebaut. Ich bezeichne es gerne als Hybrid aus Google und Facebook. Mit teilweise selbst für uns überraschend positiven Ergebnissen. Für den Erfolg einer solchen Community gibt es ein paar ganz wesentliche Faktoren:

  1. Die Unterstützung der obersten Unternehmensebene im Sinne einer Projektdefinition und –freigabe.
  2. Klare personelle Zuständigkeiten und einen internen Frontrunner.
  3. Qualifizierte Service-Mitarbeiter (auch durch gezielte Coachings).
  4. Klar definierte Prozesse: Von Service über Marketing bis hin zu Kommunikation.
  5. Eine gute Technologie für die Plattform
  6. Berater (intern und/oder extern) mit kühlem Kopf

Als ich als Leiter Kundenzufriedenheit für dieses Thema im April 2012 bei Kabel Deutschland an Bord kam, war der Auftrag klar: Aufbau einer digitalen Service-Plattform. Den Weg freigemacht hatte zu dem Zeitpunkt bereits Sören Trebst, Director Customer Lifecycle Management und Geschäftsführer der Kabeldeutschland Kundenbetreuungs GmbH. Sein Ziel war die Schaffung einer Plattform zur kundengetriebenen Veränderung im Produkt- und Servicedesign bei Kabel Deutschland.

In den folgenden neun Monaten verfassten wir eine interne Argumentation für den Steuerungsausschuss und etablierten Schnittstellen zu Marketing, Produktmanagement und Kommunikation. Die größte Herausforderung war die Anpassung der internen Serviceprozesse speziell für die Community. Der digitale Dialog stellt andere Anforderungen an das Unternehmen als im  klassischen Call Center. Die Kunden erwarten im direkten Live-Dialog konkrete Antworten auf ihr persönliches Anliegen. Da reichen uns Standard-Antworten oder öffentliche Stellungnahmen des Unternehmens oft nicht. Dazu kommen Sonderthemen wie Software-Auswahl, Rekrutierung der Service-Mitarbeiter, Datenschutz und Betriebsrat, da letztlich immer auch Mitarbeiter auf solchen Plattformen unterwegs sind. Das wollten wir auch ganz bewusst.

Mitarbeiter als Betatester

Plötzlich standen wir vor der Herausforderung: Aufmachen oder nicht? So ganz ohne praktische Übung? Wir haben uns für einen internen achtwöchigen Testlauf mit Mitarbeitern entschieden. Dies aus drei Gründen:

  1. Damit konnten wir das Thema gleichzeitig intern vermarkten.
  2. Mitarbeiter kennen die sensiblen Themen des Unternehmens am besten.
  3. Es wird bereits Content für die Plattform generiert.

Die Effekte traten wie beschrieben ein. Innerhalb eines Tages hatten wir 250 Mitarbeiter als Betatester beisammen. Ich glaube im Nachhinein, dies war der härteste Test, den man sich vorstellen kann. Das ganze hatte einen sehr wertvollen Nebeneffekt: Heute haben wir ca. 20 aktive Mitarbeiter in der Community,  die keinen Unternehmensauftrag haben und dennoch als Helfer mitwirken.

Einfluss auf Suchergebnisse zu Service-Themen

Eine Service-Community muss Dinge addieren, die in der jetzigen Customer Journey bisher noch nicht existent waren. Dazu gehört für mich vor allem ein größerer Einfluss auf die Sichtbarkeit unsere Service-Themen im Web. Für Kunden, die ein Problem haben. Für Nutzer, die einen Vertrag bei uns abschließen wollen. Dieser Kontakt findet per Web-Recherche in der Regel vor dem Anruf im Call-Center statt. Bislang finden Kunden Meinungen eher auf fremden Plattformen wie golem.de, heise.de oder dem inoffiziellen KDG-Forum. Dies ist wichtig als unabhängiges Urteil. Hier finden sich zu Teilen aber missverständliche, unvollständige oder auch falsche Aussagen. Wir haben nun eine Plattform geschaffen, die valide Infos bietet – auch durch Inhalte, die von Kunden erstellt wurden. Und die Stück für Stück mehr Anteil in den Suchmaschinen bekommen wird.

Zum anderen wollen wir personalisierte Service-Erlebnisse um Vertrauen zu uns als Anbieter aufzubauen. Wir haben das bei uns in der Community von Anfang an bedacht: Für jede Frage und  für jeden Thread gibt es einen zuständigen Service-Mitarbeiter mit Bild und Namen. Der Mitarbeiter hat eine persönliche Verpflichtung übernommen. Dies erhöht die Service-Qualität ganz automatisch.

Dazu kommt auch in der Kommunikationsform eine individuellere Note. Wir möchten, dass unsere Service-Mitarbeiter in ihrer Persönlichkeit durchaus unterschiedlich wahrgenommen werden. Das schafft emotionale Bindung.

Effizienz durch Collaborative Service, Reichweite durch Suchmaschinen

Natürlich gibt es auch klare Ziele und kalkulierte Effekte. Dazu gehören im Kern drei Dinge. Der Gedanke des Collaborative Service, die Bedeutung von Customer Generated Content für die Suchmaschinen, Kunden-Feedback für Service und Produktdesign.

Collaborative Service setzt darauf, dass der Kunde durch bereits existente Antworten  oder direkte Nutzer-Feedbacks schnelle und direkte Hilfe bekommt. Genau diese Möglichkeit fehlt  auf Facebook oder Twitter wegen der fehlenden Suchoptionen.
Gleichzeitig entstehen von Kundenseite Inhalte, die glaubwürdig sind und als Empfehlungen oder zumindest Orientierung dienen können. Diese Inhalte müssen wir nicht extra mit hohen Kosten generieren.   

Aus all diesen von Kundenseite getriebenen Dialogen wollen wir letztlich herauslesen, wie wir unseren Service und unsere Produkte verbessern können. Ganz nebenbei spart uns das in Zukunft sicherlich einiges an Marktforschungskosten.
Zu den quantifizierbaren Effekten gehören in unserem Fall auch:

  1. Verweildauer von ca. fünf Minuten pro Besuch
  2. Wiederbesuchsquote: 45 Prozent
  3. Ein Besucher generiert im Schnitt eine Frage, die zehn Interaktionen generiert
  4. Tonalität des Kundenfeedbacks: Reduktion der negativen Resonanz von 90 auf 50 Prozent innerhalb von vier Monaten nach Start der Service-Community
  5. Signifikante Reduktion des Call-Volumens zu Störungsmeldungen

Always beta. Wir stehen am Anfang.

Nach nunmehr sechs Monaten sehen wir uns immer noch am Anfang. Soeben haben wir die App-Einbindung über Facebook und mobile App realisiert. Es gibt aber noch viele Themen, an die wir ran müssen. Dazu gehören vor allem eine differenzierte Analyse und Evaluierung der gesamten Kommunikation in der Community oder auch der Umgang mit anderen Foren und Communities und die Nutzung von Twitter. Wir wollen über den reinen Service hinaus den Bereich Kundenerfahrungen auf die Plattform bringen, zum Beispiel mit User Testings, die letztlich für sich selbst sprechen.

* Der Gastautor und sein geschäftlicher Hintergrund: Marc Bacon ist seit 2012 Leiter Kundenzufriedenheit bei Kabel Deutschland und dort u.a. für die Bereiche Customer Experience Management und Bestandskunden-Kommunikation verantwortlich. Zuvor war er im Bereich Kunden Management u.a. für Jamba, Adidas, Jochen Schweizer, Deutsche Messe AG und Lindner Hotels tätig.


W&V Redaktion
Autor: W&V Redaktion

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