
Marco Zingler:
"Disrupting ADC": 3 Thesen zur Digitalisierung des ADC
Deutschlands Digitale begehren auf: In der ADC-Reformdebatte sieht sich Denkwerk-Chef Marco Zingler als Wortführer. Die Einführung neuer Digital-Kategorien beim ADC-Wettbewerb nennt er "Babyschritte". Er fordert einen tief greifenden Umbau - und neue Bewertungskriterien.

Foto: Denkwerk
Marco Zingler ist sauer, oder enttäuscht oder beides. Nicht, dass er den ADC in Bausch und Bogen verurteilte. "Im Gegenteil", sagt der Geschäftsführer der Digitalagentur Denkwerk aus Köln und Berlin. "Ein Verein zur Förderung der Kreativität in Deutschland. Klasse! Wenn es ihn nicht schon gäbe, müsste er erfunden werden", sagt er. Nur: Dass der Art Directors Club für Deutschland in seinem Wettbewerb die digitale Welt nicht recht abbilde, das ärgert Zingler. Zumal der Kreativenclub die Chance dazu gehabt hätte - nach seiner jüngsten Reform.
Erst vor wenigen Tagen hat der ADC Details zum Wettbewerb 2017 vorgestellt. Die Printdominanz soll gebrochen, Digitales aufgewertet werden. Zingler genügt das nicht: "Das sind leider nur Babyschritte", sagt er. Er packt seine Kritik in diese drei Thesen.
1. "Der ADC bildet die Marktrealität nicht ab."
Der ADC hatte vor einiger Zeit die Geschäftsführer ausgewählter Digitalagenturen zu Workshops geladen, um zu diskutieren, wie der Anteil digitaler Arbeiten bei dem renommierten Wettbewerb erhöht werden könnte. Am Schluss hat der Verein eine neue Hauptkategorie eingeführt, die bestehende Hauptkategorie "Digitale Medien" überarbeitet und in die übrigen 37 Hauptkategorien mehr digitale Unterkategorien eingeführt.
Zingler und die Seinen - er versteht sich hier als Wortführer einer ganzen Branche - hatten aber deutlich mehr gefordert, wie er jetzt im Interview in der aktuellen W&V (Nr. 47/2016 vom 21.11.) erzählt. "Die Idee ist das herrschende Bewertungskriterium für Werbung und das ist auch gut so, weil es für Kampagnen funktioniert", so Zingler. "Das zentrale Paradigma zur Bewertung digitaler Kreation" aber sei nicht die Idee, sondern die User Experience, die Erfahrung also, die ein Kunde macht, wenn er sich mit einer App, einer Website, einem Shop im Netz beschäftigt.
2. "Bei digitalen Arbeiten ist immer das Erlebnis entscheidend - der alleinige Ideenfokus als Maßstab der Bewertung reicht nicht aus."
Dafür müsse sich der ADC erneut und umfassend reformieren. "Die digitale Transformation hat auch die Kreativindustrie erfasst", sagt Zingler. Der ADC müsse sich viel tiefgehender damit befassen. Er fordert: neue, vor allem mehr digitale Kategorien, mehr UX-Experten in den Jurys, vor allem aber: neue Bewertungsmaßstäbe für einen Club, dessen Juryvertreter er als Vertreter einer alten Welt versteht. "Es fällt auf, dass in den Jurys viele sitzen, die die Werbewelt der 90er und frühen 2000er Jahre geprägt haben."
3. "Der ADC hat in der digitalen Welt ein Imageproblem."
Würde sich der ADC hier zeitgemäßer aufstellen, würden sicher mehr Digitalagenturen beim ADC einreichen und mehr Digitalagenturen Nägel gewinnen. Im vergangenen Jahr gab es allein neun Auszeichnungen für das beste Plakat (die Smart-Printkampagne "Parkhäuser" von BBDO Berlin war die erfolgreichste Arbeit 2016), aber kein einziges Mal Gold für Digital. "Da muss man ja zu dem Schluss kommen, dass der ADC Digital als Spezialdisziplin für Liebhaber versteht." Marco Zingler will das ändern, übrigens gemeinsam mit dem ADC: "Mehr Kreative mit digitaler Expertise würden dem Club bestimmt gut tun."
Disrupting Deutschland? Zingler sagt: "Disrupting ADC wäre doch ein guter Start."
Das ausführliche Interview mit Marco Zingler zum ADC-Wettbewerb lesen Sie in der aktuellen W&V (Nr. 47/2016 vom 21.11.).