
Comic-Ikone Stan Lee:
"Eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte"
Zum Tode von Stan Lee: Die damals 91 Jahre alten Marvel-Legende sprach im W&V-Interview über Superhelden, Kreativität und Merchandising.

Foto: Pressefoto
Der 12. November 2018 war für die Comic-Fans in aller Welt ein trauriger Tag. Stan Lee, legendäre Figur im Marvel-Universum, verstarb im Alter von 95 Jahren. Eine Ikone der Comic-Welt, auch im hohen Alter noch immer äußerst umtriebig. Mit 91 Jahren wagte sich Stan Lee an ein neues, crossmediales Projekt. Im W&V-Interview mit Ralph Pfister sprach er auch darüber, ob sich die Art von Geschichten und Figuren verändert hat. Eine Frage, die auch die immer noch relevanten Trendthemen Content-Marketing und Medienwandel betrifft.
Hier das Interview mit Stan Lee, das 2014 zum Start des Projektes erschienen ist.
Mr Lee, Sie sind einer der Väter der berühmtesten Marvel-Figuren. In den letzten Jahren waren Marken wie Spiderman, X-Men oder The Avengers auch als Filme sehr erfolgreich. In den meisten Filmen hatten sie ja auch Cameo-Auftritte. Nun bringen Sie eine neue Reality-Comicbuch-Filmtrilogie. In „Stan Lee’s Mighty 7“ („SLAM 7“) sind Sie sogar eine der Figuren. War das der nächste logische Schritt?
Ich weiß nicht, wie logisch er ist. Wir hatten uns überlegt, dass die sogenannten Realityshows so beliebt geworden sind, dass es lustig sein dürfte, eine Reality-Superheldengeschichte zu machen. In dem Sinn Reality, dass lebendige Menschen darin vorkommen. Und ich bin einer der lebendigsten Menschen, die ich kenne. Wir wollen im Verlauf der Serie auch andere reale Charaktere auftreten lassen.
Sie sind schon sehr lange Zeit im Geschäft. Ihre Kreationen waren bemerkenswert erfolgreich, nicht nur als direkte Comics bei den Endkunden, sondern auch in Sachen Merchandise und Licensing. Die Art, wie wir Medien und Unterhaltung konsumieren, hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Hat sich auch die Art gewandelt, wie Franchises und Geschichten kreiert werden?
Ich kann nicht für andere sprechen, aber soweit es mich angeht, hat sich nichts daran geändert, wie man Geschichten schafft. Man versucht nach wie vor, die interessantesten Storys zu erzählen, die einem gelingen, mit schillernden Charakteren, die Menschen nahegehen. Alles, was in Sachen Medien passiert ist, lässt sich darauf herunterbrechen, dass Sie Derartiges dann über das Internet promoten können. Das ist ein starker Hebel, beeinflusst aber nicht die Art, wie Sie schreiben.
Und der Prozess, wie Charaktere geschaffen werden? Hat sich der geändert? Dass sie in anderen Formaten als in einem gedruckten Heft genutzt werden, liegt ja jetzt gedanklich näher als in den 60ern oder 70ern.
Eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte. Egal, ob sie in den 70ern oder gestern geschrieben wurde. Wenn Sie etwas zu erzählen haben, was die Leser interessiert, die aufregend und überraschend ist, Menschen dazu bringt, umzublättern oder vor dem Bildschirm sitzen zu bleiben. Die Geschichten, die Charles Dickens geschrieben hat, funktionieren heute auch noch.
„SLAM 7“ ist ein Multimediakonzept: die Comics, die Filme, die Website. Wie greifen die einzelnen Teile ineinander? Kommt der Website, dem Social-Media-Konzept und der Interaktion mit dem Publikum eine bedeutende Rolle für die Erzählung zu?
Es ist ein sehr wichtiger Weg, um das Publikum zu erreichen. Social Media ist ein sehr guter Weg, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu binden, es wissen zu lassen, was man tut, und um das Bedürfnis auszulösen, eine Geschichte zu lesen oder einen Film zu sehen. Es ist ein großartiger Weg, öffentlich zu zeigen, was man tut. Und es gibt den Fans eine Chance, zu antworten und ihre Meinung einzubringen.
Sind die digitalen Kanäle auch Plattformen, um die Geschichte voranzutreiben?
Sie sind eher dafür gedacht, das Publikum anzusprechen. Wenn ich eine Geschichte schreibe, denke ich nicht über Social Media oder irgendwas anderes nach, nur darüber, eine möglichst gute Story zu schreiben. Das war meine Haltung vor Jahren und das ist sie heute. Der Prozess für den Autor hat sich nicht verändert.
Mit Ihrer Erfahrung und der Erfolgsbilanz, die Sie vorzuweisen haben: Gibt es eine bestimmte Formel dafür, Formate zu schaffen, die funktionieren, auch im Merchandising?
Ganz ehrlich: Über Merchandising denke ich nicht nach, nur über gute Geschichten. Was eine Formel angeht: Ich weiß es nicht. Ich versuche im Grunde das zu schreiben, was ich selbst gern lesen würde. Wenn es mich nicht interessiert, wieso sollte es irgendjemand anders kümmern? Ich muss mich für die Charaktere interessieren und erfahren wollen, was als Nächstes passiert.