Original und Kopie

Juristisch besteht laut anwaltlicher Aussage grundsätzlich "die Freiheit, das Leistungsergebnis eines anderen sogar mehr oder weniger identisch zu übernehmen", es sei denn, dass das Werk unter sogenanntem Sonderrechtsschutz steht oder aber die Art und Weise des Kopierens als "verwerflich" anzusehen ist, also im Widerspruch zum Handeln eines lauteren Wettbewerbsteilnehmers steht.

Den Kampf "Milch gegen Bier" würden wir nach Einschätzung des Anwalts mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gewinnen.

Bleibt der kreative Aspekt.

Es ist schon länger die Rede vom Wertverlust der Kreation. Betrachtet man die Uniformität der endlosen Onepager, mag sich dieser Eindruck bestätigen. Sogenannte Themes, also reproduzierbare, fertig programmierte Designvorlagen gibt es an jeder Ecke, schon mit 40 Euro ist man dabei. Nahezu unverändert, bestückt mit Kundentexten, finden sie ihren Weg ins Netz.

Dieser Shortcut der Adaption trägt maßgeblich zur Stagnation einer kreativen Entwicklung bei und fördert den H&M-Ikea-Effekt: Aktuelle Designtrends werden aufgegriffen und in generische Layouts überführt.

Was bedeutet diese Entwicklung für Kreativagenturen?

In einem "Werk" wie der Entwicklung einer Markenwebsite stecken viele Stunden Entwerfen und Verwerfen. Weit mehr als Oberflächengestaltung verbinden sich in diesem Prozess verschiedene Disziplinen wie Konzept, Strukturentwicklung und funktionale wie technische Erfordernisse - mit dem Ziel, ein individuelles Markenerlebnis zu schaffen, der Marke ein unverwechselbares Gesicht zu geben. Und eine Plattform, auf der sie mit dem Kunden interagieren kann.

Als Plagiat bezeichnet man laut Wikipedia die Anmaßung fremder geistiger Leistungen. Es geht aber nicht darum, geistiges Eigentum zu beanspruchen und zu hüten. Im Gegenteil: Wir sollten uns im ständigen Austausch kreativer Inspiration befinden, um Neues zu schaffen und weiter entwickeln. Dafür war und ist das Web ein idealer Ort, an dem Ideen frei zirkulieren, wo täglich neue Entwicklungen sichtbar sind und der Grundgedanke des Teilens - bei aller Kommerzialisierung - nach wie vor besteht.

Kopieren bringt keinen von uns weiter. Stehlen ist gut!

* Andreas Schauer ist Geschäftsführer der Münchner Digitalagentur Code 64. Zu seinen Kunden zählen Rosenthal, MSC-Kreuzfahrten, Messe Frankfurt, Südhausbau, Terrania, Happy Dog, Bergbauernmilch und Start Smart.


Autor: W&V Gastautor:in

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