"Regt sich heute noch irgendjemand über Big Brother auf?"
Der scheidende BLM-Präsident Wolf-Dieter Ring spricht mit W&V Online wenige Tage vor seinem Ausstieg bei der Medienanstalt über Veränderungen in TV und Medienpolitik. Auch eigene Fehler gesteht er ein.
Ende September verabschiedet sich Wolf-Dieter Ring nach mehr als 20 Jahren als Präsident der Münchner Medienanstalt BLM und 36 Jahren in der Rundfunkpolitik in den Ruhestand. im Interview mit W&V Online spricht der 70-jährige Medienpolitiker über sein Wirken, die Arbeit der BLM, über Fehler - und über seine Zukunftspläne.
Herr Ring, welche Medien nutzen Sie morgens?
Als Allererstes höre ich Radio. Dann blättere ich die "Bild-Zeitung" durch und die Schlagzeilen der "SZ".
Was halten Sie von Internet und Social Media?
Ich finde das alles faszinierend und nutze natürlich iPhone, iPad – ebenso wie HbbTV und einen 3-D-fähigen Fernseher.
Gibt es Medienentwicklungen, die Sie vor drei Jahrzehnten völlig anders vorausgesagt haben?
Mal abgesehen vom Internet: Was wir nicht so gesehen haben ist die große Zahl an Fernsehsendern.
Im TV scheinen in den letzten Jahren immer mehr Grenzen zu fallen. Woran liegt das?
Das Internet nimmt massiven Einfluss auf die Gesellschaft, die sich selbst sehr dynamisch verändert. Nur ein Beispiel: Regt sich heute noch irgendjemand über "Big Brother" auf? Uns hat vor einem Jahrzehnt noch bewegt, dass Menschen eingesperrt und vorgeführt werden.
Reagiert die Medienaufsicht darauf?
Ja. Je mehr sich die Gesellschaft auf breiter Basis mit dem Internet beschäftigt, umso mehr wird klar, dass wir dringend auch dort Spielregeln brauchen.
Was muss heute anders geregelt werden?
Angesichts der Konvergenz – siehe HbbTV – brauchen wir in allen wichtigen Regulierungsfeldern vergleichbare Bedingungen für alle Anbieter. Ein wichtiger Bereich wird in Zukunft die Plattformregulierung sein. Hier muss sichergestellt werden, dass Zugangschancen gerecht verteilt sind. Und wir müssen diskutieren, ob das Kartellrecht noch auf der Höhe der Zeit ist.
2013 kommt der Wechsel von der Rundfunkgebühr hin zum "Rundfunkbeitrag des Haushalts". Eine richtige Entscheidung?
Prinzipiell ja. Eine gerätebezogene Gebühr ist einfach nicht mehr zeitgemäß.
Sie gestehen ARD und ZDF ergo zu, neue Verbreitungswege und Entwicklungen wie Apps zu nutzen?
Durchaus. Aber die Expansionen von ARD und ZDF sind groß, sie verkürzen die wirtschaftlichen Chancen der privaten Anbieter. Mit der "Tagesschau"-App entsteht ein völlig eigenständiges Informationsangebot – beispielsweise mit Hinweisen auf Interviews, die in der Sendung gar nicht stattfinden.
Wie sieht Ihre persönliche Bilanz nach mehr als 20 Jahren an der Spitze der BLM aus?
Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ich durfte eine äußerst dynamische Medienentwicklung begleiten und mitgestalten.
In der Vergangenheit sind Sie mehrmals scharf angegriffen worden, unter anderem gab Ihr Gehalt Anlass zur Kritik. Würden Sie heute anders reagieren?
Rückblickend kann ich sagen, dass unsere Informationspolitik nicht optimal war. Ich hätte schneller meine Position darstellen müssen. Mit gewissem Abstand muss ich aber zugeben: Wer ein öffentliches Amt innehat und sich oft deutlich äußert, muss sich auch gefallen lassen, dass er mal ordentlich kritisiert wird.
Sie wirken nicht so, als ob Sie wirklich in Ruhestand gehen würden. Was haben Sie vor?
Ich habe schon meine Anwaltslizenz beantragt. Zudem gehöre ich zu den 17 Sachverständigen der Enquetekommission "Internet und digitale Gesellschaft" des deutschen Bundestages. An den Gemeinsamkeiten zwischen klassischen Medien und Internet werde ich nach meiner BLM-Zeit intensiv arbeiten.