
"Social PR braucht fantasievolle Überraschungen"
"Shitstorm happens"! So heißt es unter Web 2.0-Experten, wenn eine Social Media-Kampagne nach hinten losgeht - und das Image des Kommunikators beschädigt. Ellen Zimmermann, Geschäftsführerin von ZIEL PR, erklärt, wie sich Social Media erfolgreich einsetzen und verankern lässt.
"Shitstorm happens"! So heißt es unter Web 2.0-Experten, wenn eine Social Media-Kampagne nach hinten losgeht - und das Image des Kommunikators beschädigt. Ellen Zimmermann, Geschäftsführerin von ZIEL PR, erklärt, wie sich Social Media erfolgreich einsetzen und verankern lässt.
Social Media ist der letzte Schrei - selbst die Deutsche Bahn ist jetzt auf Twitter vertreten, was bei dem monopolistischen Konzern fast ein bisschen komisch wirkt. Was denken Sie, kommen Unternehmen nicht mehr um den Kanal herum?
In knapp sechs Wochen sollen rund 5.000 Nachrichten auf diesen Twitter-Kanal eingegangen sein bei der DB – das zeigt schon, dass dieser Kanal goldrichtig ist für die Bahn. Für wen ist welcher Kanal richtig? Dies läßt sich nicht pauschal beantworten, im Vorfeld gilt es zum einen, ein klares Selbstbild zu bekommen. Die Frage dazu lautet: Sind wir bereit, offen und transparent zu kommunizieren? Eine klare Zielsetzung ist ebenso wichtig. Je nachdem kann man dann die entsprechenden Massnahmen wählen. Dabei kommt es darauf an, was man anbietet: Produkt oder Dienstleistung, wo die Zielgruppe oder auch potentielle Neukunden aktiv sind.
Müssen wirklich alle Unternehmen twittern und Fanseiten auf Facebook gründen oder gibt es welche, für die es keinen Sinn macht. Was ist z.B. mit Selbständigen oder Kleinunternehmen?
Von müssen kann nicht die Rede sein – mir hat aber in meiner Social-Media-Manager-Ausbildung die neue Interpretation von ROI gefallen als „Risk of Ignorance“! Für die einen ist Twitter perfekt – für die anderen Facebook oder künftig auch Google +. Wieder andere sind mit einem Blog besser aufgehoben. Andere nutzen bereits Youtube oder Bookmarking. Die Palette ist breit und bunt. Wichtig scheint mir, vorab nicht in den Irrglauben zu verfallen, dass man einfach mit irgendetwas startet – oder gar mit allem auf einmal. Darauf folgt dann später große Enttäuschung oder Ernüchterung. Social Media braucht Fachwissen, klare Zielsetzung, Monitoring und Manpower. Es kostet nicht viel, ein Blog zu installieren oder eine Facebook-Seite. Das Am-Laufen-Halten erfordert aber einiges an Aufwand: an Zeit und Geld. Selbstständige und Kleinunternehmer haben sicherlich über die neuen Kanäle mehr Chancen, wenn sie den entsprechenden Aufwand leisten können. Oft ist es schlichtweg eine Frage der Kapazität mit dem Erstellen der Website, dem Füttern des Blogs, dem Posten auf FB oder Twitter und der Netzwerke wie Xing und LinkedIn – neben der ganz normalen Arbeit.
Was kann Social Media, was klassische Kanäle nicht können?
Wenn man ganzheitlich denkt, Social Media nicht losgelöst von der gesamten Kommunikationsstrategie einsetzt und regelmäßig spannende, interessante und neue Inhalte posten kann, schafft man damit viel positives Image für das Unternehmen in einer sehr glaubwürdigen Weise. Das moderne Empfehlungsmarketing kann man nicht kaufen – es ist keine „paid“ media – sondern eine „earned“ media – d.h. nur wenn die Konsumenten oder Kunden wirklich überzeugt sind von der Qualität, Service und gelebten Philosophie, wird dies zu einer wachsenden Bekanntheit führen. In Zukunft wird auf diesen Kanälen auch sehr viel zum sog. „employer branding“ beigetragen werden, wie attraktiv ein Unternehmen als Arbeitgeber ist oder wie es als Ausbilder bewertet wird. Genauso wie es in der Gastronomie oder im Tourismus schon üblich ist, auf die bekannten Rankings zu achten, werden Mitarbeiter sich sehr genau über das Image des Unternehmens im Netz informieren. Last not least erhalten wir über diese Kanäle ein unglaublich schnelles Feedback auf unsere Angebote oder Dienstleistungen – natürlich auch Gegenwind oder Kritik – mit der man lernen muss, richtig umzugehen. Das Selbstbild wird also recht schnell mit dem Fremdbild konfrontiert, nachdem viele Unternehmen jahrelang in ihrem Elfenbeinturm oder einer Blase lebten. Das ist eine Chance!
Wo liegen die größten Fallstricke im Umgang mit dem Kanal und wie kann man sie umschiffen?
Wenn jemand nicht verstanden hat, dass das Web 2.0 interaktiv ausgerichtet ist und dass man hier nur mit authentischer, glaubwürdiger Kommunikation auf Augenhöhe agieren sollte, dann kann dies negative Folgen haben – Stichwort: Imageschaden oder in der virtuellen Welt: Shitstorm. Wer versucht zu kontrollieren oder gar zu manipulieren, hat schlechte Karten! Die herkömmliche Art der Werbung zieht auf all diesen Kanälen genauso wenig wie vollmundige Versprechen, die nicht gehalten werden. Eigentlich ist es wie im analogen Leben, im Prinzip jedenfalls. Noch dazu ist die Echtzeit-Kommunikation eine Herausforderung: schnelles Reagieren ist gefragt. Wer dies alles professionell beherrscht, kann über die Social-Media-Kanäle einen anerkannten Expertenstatus installieren.
Was ist Ihr liebster Social Media-Case? Und welchen finden Sie am schlechtesten?
Ziemlich krass war der Fall „United break guitars“ als warnendes Beispiel, wenn ein Unternehmen Kundenbeschwerden nicht ernst nimmt. Lustig finde ich nach wie vor die Evian-Kampagne „Evian Roller Babies“ – die einfach charmant und witzig gemacht ist. Gute Unterhaltung mit fantasievollen Überraschungen statt platter Werbung ist die Devise.