
Aktion "Sag's mir ins Gesicht":
"Tagesschau"-Kritiker waren "sehr zivilisiert"
So lautet das Fazit von Kai Gniffke. Der ARD-Aktuell-Chefredakteur hat im direkten Dialog mit Kritikern gute Erfahrungen gemacht.

Foto: ARD/NDR
Auf Tagesschau.de zieht Kai Gniffke Bilanz: Mit der Aktion "Sag's mir ins Gesicht" suchte das Team der "Tagesschau" das Gespräch mit den Verfassern von Hasskommentaren (W&V Online berichtete).
Und Gniffke hatte durchaus damit gerechnet, dass das "tosend in die Hosen gehen" könnte, dass einige Teilnehmer "verbal schärfer" werden könnten. Obwohl die Arbeitshypothese natürlich war, dass sich die Internet-Trolle und Hater schwerer tun mit Beleidigungen, wenn sie einem ins Gesicht schauen dabei. Und die wurde offenbar bestätigt. Auch wenn er, so Gniffke, nicht mit jedem Teilnehmer einer Meinung gewesen sei, waren die Videogespräche viel respektvoller, als die Netzkommentare oft formuliert sind.
Kai Gniffke war der erste, der sich per Skype am Sonntagabend in Videotelefonaten auf Facebook den Kritikern stellte. Sein Fazit: "Es fiel kein beleidigendes Wort. Es war sogar sehr zivilisiert. Die Angesicht-zu-Angesicht-Situation hebt offenbar das Niveau."
"'Du Hetzer, du Arschloch', das schreibt sich viel leichter, als es jemandem ins Gesicht zu sagen."
Themen, die die kritischen Videoanrufer anschnitten, waren unter anderem die Gebührenfinanzierung, Unterschiede zwischen Nachricht und Kommentar, die Gästeliste von Talkshows, die Distanz von Journalisten zu Politikern und Sportrechte. Die Dialogstunde ist hier abrufbar.
Kai Gniffke begegnete den Anrufern sehr respektvoll, offen und klar. Der Chefredakteur am Ende der Videostunde: "Ich glaube, wir konnten zeigen, dass ein Dialog auch in einer sehr sehr angemessenen und respektvollen Weise möglich ist."
Auf Facebook hat das Video um die 142.000 Aufrufe seither und 3500 Kommentare hervorgerufen (Stand 29. Mai 14:20 Uhr). Die waren erwartungsgemäß weniger zimperlich als die Anrufer, die ihr Gesicht zeigten.
Aus gut 100 Anrufen kamen schließlich nur Männer zu Wort. Und die wurden nicht ausfallend, wie es Onlinekommentierende gern werden. Was einige der Facebook-Nutzer der "Tagesschau" wiederum kritisierten - nur Nette seien zugelassen worden.
Die Redaktion erklärt die Auswahl so: Wer zuerst kam, kam zuerst dran. Genommen wurden aber nur Nutzer mit eingeschalteter Kamera, erläutert Anna-Mareike Krause aus der NDR-Redaktion, die redaktionell für die Aktion verantwortlich ist. "Ins Gesicht" sei ja schließlich das Motto gewesen, daher war das die Voraussetzung zur Teilnahme an der Diskussion. Extra freundliche Anrufer habe man nicht ausgesucht.
Und warum keine Frauen? Unter den Anrufern mit Kamerabild seien keine Frauen gewesen, sagt Krause. Soweit sich die angemeldeten Profile der Nutzer einem Geschlecht zuordnen ließen, hatten via Skype überhaupt keine Frauen teilgenommen. Was Anna-Mareike Krause bedauert.
Vielleicht sind ja heute und morgen Abend mehr Frauen dabei: Die nächsten, die sich in der Reihe von Facebook-Live-Events der "Tagesschau" den Hatern stellen, sind am 29. und 30. Mai ab 19.00 Uhr Anja Reschke und Isabel Schayani.