
Roger Hackstock:
"Werber haben einen Hang dazu, sich selbst zu feiern"
Austria-Solar-Chef Roger Hackstock gab den Auftrag für die erfolgreichste Einzelarbeit im diesjährigen Kreativ-Ranking: den "Solar-Jahresbericht" von Serviceplan. Im W&V-Interview verrät er seine Sicht auf Werber, Werbung und den ganz normalen Award-Wahnsinn.
Im W&V-Interview verrät Roger Hackstock, Geschäftsführer des Verbands Austria Solar, seine Sicht auf Werber, Werbung und den ganz normalen Award-Wahnsinn.
Herr Hackstock, der Solar-Jahresbericht ist die erfolgreichste Einzelarbeit des diesjährigen Kreativrankings. Und das, obwohl Ihr Verband in der Vergangenheit in der Werbeindustrie - erlauben Sie mir die Anmerkung - nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Wie gehen Sie mit diesem Erfolg um?
Zunächst einmal sind wir sind total überrascht von diesen vielen Kreativpreisen. Für uns ist das eine ganz neue Welt. Außerdem ist es die erste Kooperation mit Serviceplan. Derzeitig sind wir mit der Agentur im Gespräch über weitere Projekte. Wir würden natürlich gerne noch mal so eine geniale Idee kreieren. Allerdings haben wir festgestellt: Das ist schwer zu toppen. Die Latte liegt sehr hoch.
Welche Erkenntnisse haben Sie aus dem Projekt gewonnen?
Der Solar-Jahresbericht hat mich zwei Dinge gelehrt: 1. Mut wird belohnt und 2. Innovation begeistert. Die Solarbranche steht vor großen Herausforderungen: Der Markt für Solar-Thermie hat sich im vergangenen Jahr halbiert. In dieser Situation ist es notwendig, neu zu denken. Mit dem Solar-Jahresbericht haben wir eingeschlagene Wege verlassen und siehe da: Unser Mut wurde belohnt. Nun gilt es, diesen Mut auch auf anderen Feldern zu beweisen. Diese Einsicht kam nicht zuletzt durch den Jahresbericht. Zum Thema Innovation: Viele Menschen dachten, Print ist tot, auch in den Juries. Dann kamen wir mit einem Jahresbericht daher, den man nur in der Sonne lesen kann. Das hat die Juroren begeistert, weil es bewiesen hat, dass man auch mit einem sehr alten Medium neue Wege beschreiten kann.
Das heißt, die vielen Preise zeigen auch außerhalb der Werbebranche Wirkung?
Ich habe in diesem ganzen Zusammenhang vor allem eines gelernt: Die Branche hat einen Hang dazu, sich selbst zu feiern. Am stärksten ist mir das bei den Cannes Lions aufgefallen: Es geht den Agenturen vor allem darum, wer sich nächstes Jahr den Grand Prix in die Vitrine stellen darf.
Das kann Ihnen als Kunde nicht sonderlich gefallen.
Das ist wirklich eine Parallelwelt zu uns. Als wäre die Welt eine Scheibe, die am Rand abbricht. Die Werber sehen das natürlich nicht so und sind total verblüfft, wenn man ihnen das mal sagt. Allerdings brauchen die diese Form des Feedbacks auch.
Die am meisten ausgezeichnete Werbung ist also in Ihren Augen nicht auch gleich die wirksamste?
Bei den Einreichungen müssen die Agenturen ja auch die Effektivität ihrer Projekte angeben: Wie viele Klicks hat dies oder jenes gebracht? Wie viel mehr Umsatz? Und dort zeigt sich dann: Manche Ideen verändern wirklich was im Verhalten der Menschen. Aber bei weitem nicht alle.
Das hieße aber, dass die Agenturen einen Großteil der Arbeiten nur für die Vitrine machen.
Man sollte die Werbung nicht ausschließlich nach der Effektivität beurteilen. Es ist ein zweischneidiges Schwert: Viele Ideen mögen werbemäßig nicht die großen Erwartungen erfüllen, auf der anderen Seite bereichern sie aber die Welt. Man kann Werbe-Ideen auch als Kunstform betrachten, dann sieht es wieder ganz anders aus. Wobei sich dann die Frage stellt: Ist das Kunst oder Kommerz? Denn es steht ja „Werbung“ drauf. Auch wenn eine Werbeidee schon zur Kunstform mutiert, dann haben die Auftraggeber eben damit unfreiwillig ein Kunstprojekt finanziert. Was sie aber vielleicht sonst nicht gemacht hätten. Wenn sie damit aber den Menschen eine Freude bereiten, dann ist auch viel gewonnen. Sie sehen: Es schlagen zwei Seelen in meiner Brust.