
Kommentar:
"Wir sind Riemann": Warum wir alle aneinander vorbeireden
Das Interview von Hinnerk Baumgarten mit Katja Riemann auf dem roten "Das!"-Sofa bewegt die Gemüter, weil es ein besonders peinliches Gesprächsdokument ist. Aber vielleicht auch deshalb, weil es ein typisches Dokument unserer Zeit ist, findet W&V-Redakteur Markus Weber. Ein Einwurf.
Das Interview von Hinnerk Baumgarten mit der Schauspielerin Katja Riemann auf dem roten "Das!"-Sofa bewegt die Gemüter, weil es ein besonders peinliches Gesprächsdokument ist. Oder vielleicht auch deshalb, weil es ein ganz typisches Dokument unserer Zeit ist. Denn es zeigt exemplarisch - und in seiner Überspitzung besonders deutlich -, wie Kommunikation inzwischen häufig stattfindet. In großen Talkrunden fällt es nur nicht so auf, wie jeder Teilnehmer ausschließlich seine Ego-Soße über das angeblich vorgegebene Thema gießt. Im Zwiegespräch tritt es eben schneller zu Tage - dann kommt es zur "Gesprächskarambolage".
Das Nicht-Gespräch zwischen Baumgarten und Riemann bewegt die Gemüter, weil hier zwei Ichs komplett aneinander vorbeireden (Riemann: "MIR ist das peinlich" - Baumgarten: "ICH hätte mich gefreut"). Aber sind wir mal ehrlich: Das ist doch die häufigste Art, wie heute miteinander kommuniziert wird. Wir haben fast vollständig die Fähigkeit verloren, uns in Menschen hineinzuversetzen, die einfach anders ticken als wir. Dieser Perspektivenwechsel scheint dem Menschen des 21. Jahrhunderts unmöglich zu sein. Vielleicht haben wir auch nur keine Lust dazu.
"Das geht gar nicht", lautet unsere routinemäßige Floskel, mit der wir im Alltag ausdrücken, dass wir ein komplettes "Anderssein" a) missbilligen und b) keine Lust haben, uns näher damit zu beschäftigen. Die Folgen einer solchen Haltung sind katastrophal: Ganz gleichgültig ob Privat, im Beruf, in der Wirtschaft oder auf der politischen Weltbühne - Karambolagen tun immer weh. Gerade für die Kommunikationsbranche ist es das Wichtigste überhaupt, sich in fremde Köpfe hineinversetzen zu können.
Warum sind wir so geworden, wie wir sind? Weiß der Teufel. - Am guten Willen der Menschen mangelt es wohl nicht. Vielleicht hat es damit zu tun, dass unsere Generation nicht mehr in Großfamilien aufgewachsen ist, keine Ahnung. Was man dagegen tun kann? - Durchmischt die Leute! Und zwar von der Kinderkrippe bis hinauf in die Universität. Nichts ist schlimmer, als ständig immer nur unter seinesgleichen zu sein.