
Andreas Heim:
Überleben in disruptiven Märkten: Das Ende der Markenidylle
Neue Geschäftsmodelle setzen sich weltweit immer schneller durch und setzen damit etablierte Marken unter Druck. Markenführung muss deshalb dringend agiler werden, mahnt Markenstratege Andreas Heim in einem Gastbeitrag für W&V Online.
Neue Geschäftsmodelle setzen sich weltweit immer schneller durch, dadurch geraten etablierte Marken unter Druck. Markenführung – bisher ein beständiges, langfristiges Geschäft – muss deshalb dringend agiler werden. Dies mahnt Andreas Heim an, Geschäftsführer Strategie der Agentur Brandoffice. In einem Gastbeitrag für W&V Online beschreibt er, wie Markenführer in Zukunft agieren sollten, damit ihnen neue Playern im Markt nicht das Heft aus der Hand nehmen.
Markenführung galt eher als ein beständiges Geschäft: Eine Marke zu entwickeln, war wie ein Haus zu bauen. Die Markenarchitektur war ein langfristig tragfähiges Fundament, Guidelines nicht selten "in Stein gemeißelt". Die Baumeister waren meist sanfte Erneuerer, nur selten angriffslustige Revolutionäre. Doch die Zeiten haben sich geändert: Heute setzen die Stars der digitalen Ökonomie wie Airbnb, Uber oder Whatsapp neue Geschäftsmodelle weltweit im Zeitraffer durch und etablierte Marken damit gehörig unter Druck.
Sicher, der globale Mega-Wettbewerb wird in den Marketingabteilungen längst zur Kenntnis genommen. Doch mal ganz ehrlich - wie viele Unternehmen öffnen sich wirklich bereits ganz konsequent für neues Denken und ganzheitliche Veränderung?
Wir Markenstrategen müssen es schaffen, dass wir bei solchen Strategie-Prozessen an der Spitze der Bewegung stehen. Mit feinem Gespür für nachhaltige Trends, neue Geschäftsmodelle und für die Veränderungsfähigkeit unserer Marken müssen wir die Unternehmensleitungen behutsam aber entschlossen dabei unterstützen, neue Märkte so markenkonform zu besetzen, dass keine Kollateralschäden für das bisherige Geschäft entstehen. Die Pflege der Kontinuität behält seine Bedeutung. Zusätzlich erfordert moderne Markenführung in disruptiven Märkten aber auch hohe Agilität, mehr Flexibilität und bereichsübergreifende Verantwortung.
Ohne Mut zur Innovation kein disruptives Branding. Für viele Markenverantwortliche mögen die Begriffe "Marke" und "disruptiv" noch ein Widerspruch in sich sein. Doch die letzten Jahre haben uns gelehrt: Verpasst eine Marke den oben beschriebenen Prozess, dann sind schnell andere da, die übernehmen.
Von Kodak spricht heute keiner mehr – die Marke und ihre Architekten waren nicht darauf vorbereitet, dass die Menschen aufhören, Filme zu kaufen. Dabei zeigen Nike, Burberry, Allianz oder Mastercard, dass sie trotz – oder gerade mit der Digitalisierung und der gestiegenen Wettbewerbsintensität ihre Marken sehr konsequent erneuern konnten. Durch eine Markenführung, die auch davor nicht zurückschreckt, weit über die Kommunikation hinaus auch Angebote, Prozesse und Services zu hinterfragen, zu modernisieren und an die veränderten Bedürfnisse der Kunden anzupassen.
Globale Marken-Champions wie BMW machen vor, worauf es ankommt: Konsequent besetzt die Automobilmarke Zukunftsthemen wie den elektrischen Antrieb oder Car-Sharing und bereitet damit auch einer neuen Zielgruppe Freude am Fahren, die sich mit konventionellen Mobilitätsangeboten wohl nur schwer anfreunden könnte.
Die Markenführung der Zukunft braucht unter anderem neue Wege in der zielführenden Verarbeitung von Big Data, agilere Markenarchitekturen und einfachere Anwendungsprinzipien statt starrer Regelwerke. Doch was sie am dringendsten benötigt sind Markenverantwortliche, die Geschäftsmodelle neu denken und Innovationen durchsetzen können (und dürfen). Und das erfordert in erster Linie Mut, Risikobereitschaft und Verantwortung. Aber Hand aufs Herz: Ein "Immer weiter so!" wäre die viel risikoreichere Variante für eine Marke.