Einzelhandel:
5 Gründe für die Misere des deutschen Modehandels
Trotz Umsatzwachstum im vergangenen Jahr geht es den deutschen Modehändlern nicht gut. Fünf Gründe für die Misere.
Es sind stürmische Zeiten für den deutschen Modehandel. Die Zahl der selbstständigen Textilhändler hat sich seit der Jahrtausendwende fast halbiert, schätzt der Bundesverband des deutschen Textilhandels (BTE) - von damals über 35 000 auf aktuell nur noch rund 18 000 Unternehmen. Stattdessen boomen internationale Ketten wie H&M oder Primark. Online-Händler wie Zalando sind eine weitere Konkurrenz, obgleich die Samwer-Marke aktuell sinkende Umsatzzahlen meldet und das Mode-Geschäft von Rocket Internet die Aktie des Inkubators abstürzen lässt. "Die Branche befindet sich in ihrer größte Konsolidierung seit Jahrzehnten", urteilt das Fachblatt "Textilwirtschaft" dennoch.
Auf den ersten Blick haben die Modehändler wenig Grund zu klagen: Im vergangenen Jahr stiegen die Einzelhandelsumsätze mit Bekleidung sowie Haus- und Heimtextilien um rund zwei Prozent auf 62 Milliarden Euro. Auch dieses Jahr hofft die Branche auf ein weiteres kleines Umsatzwachstum. Der Haken dabei: "Das Wachstum wird von immer weniger Unternehmen abgegriffen", betonte kürzlich BTE-Präsident Steffen Jost.
Fünf Ursachen werden wohl dafür sorgen, dass die Branche auch in Zukunft nicht zur Ruhe kommt:
1. Der Online-Boom
Immer mehr Verbraucher kaufen Hosen, Kleider und Mäntel im Internet. Nach Angaben des E-Commerce-Verbandes BEVH stiegen die Online-Umsätze mit Bekleidung im vergangenen Jahr um 18 Prozent auf über 10 Milliarden Euro. Davon profitieren reine Internethändler wie Amazon und Zalando, aber auch Unternehmen wie H&M oder Bonprix, die auf mehreren Kanälen verkaufen. Verlierer sind vor allem kleinere Händler, die sich kein attraktives Online-Standbein leisten können. Jeder Euro, der online ausgegeben werde, mache es für sie schwieriger die Kosten für Mieten und Personal zu erwirtschaften, betont Kerstin Lehmann von OC&C Strategy Consultants.
2. Der Siegeszug der Modeketten
Internationale Textilketten wie H&M oder Zara und Textil-Discounter wie Primark oder Kik verdrängen seit Jahren klassische Modehändler und Boutiquen aus den Einkaufsstraßen. Denn mit dem Tempo und den Preisen der straff durchorganisierten Ketten können viele etablierte Händler nicht mithalten.
3. Die Ausbreitung der Markenshops
Immer mehr Hersteller wie Gerry Weber, Esprit oder Boss haben sich in den vergangenen Jahren Stück für Stück vom Modehandel unabhängiger gemacht Sie eröffnen einfach eigene Läden oder Online-Shops. Für viele Warenhäuser und Fachgeschäfte bedeutete das weitere Umsatzverluste. Für die Betroffenen ist es dabei nur ein kleiner Trost, dass inzwischen auch einige der expansionsfreudigen Hersteller unter dem harten Wettbewerb im deutschen Modehandel leiden: Gerry Weber und Tom Tailor sind gerade dabei, ihr mühsam aufgebautes Ladennetz wieder zurechtzustutzen.
4. Der starke Dollar
Für zusätzlichen Druck in der Branche sorgt zurzeit der starke Dollar. Der Grund: Viele Textilien werden in Asien hergestellt und in Dollar abgerechnet. Das verteuert die Beschaffung. Doch die Weitergabe dieser Mehrkosten ist im harten Wettbewerb nur schwer möglich. Selbst die erfolgsverwöhnte Modekette H&M kämpft deshalb derzeit mit Gewinnrückgängen.
5. Das Wetter
Der milde Winter hat vielen Modehändlern in den vergangenen Monaten das Geschäft verdorben. Das gehört zwar eigentlich zum normalen Auf- und Ab des Handelsgeschäfts. Doch für angeschlagene Unternehmen kann es zur Existenzbedrohung werden.
Eine Ende der Turbulenzen in der Modebranche ist nicht in Sicht. "Im deutschen Markt entfallen noch immer rund 30 Prozent des Marktes auf kleine Facheinzelhändler. Viele von ihnen könnten schon bald den Anschluss verlieren. Denn der Strukturwandel durch den Online-Handel und die großen internationalen Ketten wie H&M oder Zara wird sich weiter verschärfen", urteilt die Handelsexpertin Kerstin Lehmann. Für sie steht fest: "Die Marktbereinigung geht weiter." (W&V mit dpa)