
Mediastrategien von morgen:
Advent, Advent, 08/15-Media brennt
Sie haben schon einen Mediaplan für 2016? Das ist nett. Aber haben Sie auch eine Mediastrategie? Eine, die ihren Namen wirklich verdient? Herzlichen Glückwunsch, denn dann wären Sie in der Branche eine echte Ausnahme. W&V-Blogger Thomas Koch alias "Mr. Media" über den Unterschied zwischen Mitläufern und Strategen.

Foto: Sabihne Höröldt
Das Werbejahr 2016 steht dicht vor der Tür. Die Mediastrategien sind eingetütet und warten auf ihre baldige Enthüllung. Falsch, es sind nur die Mediapläne, die fertig sind. Wer verfolgt denn schon ernsthaft eine Strategie? Wie sieht denn Ihr Mediaplan für 2016 aus? Eine Prise mehr TV, dafür weniger Print, umso mehr Online - allein schon wegen diesem Programmatic und Content Marketing.
Eine Strategie zu haben, bedeutet zu wissen, was man macht und warum man es macht. Das ist gar nicht so einfach, so lange Werbung und Media keine Wissenschaften sind und Big Data noch immer nicht in der Lage ist, auf Knopfdruck die Verbraucher zu Kauf-Robotern und den Marktanteil auf wundersame Weise zu steigern. (Nur unter uns, das wird Big Data nie können. Denken Sie mal eine Sekunde drüber nach.)
Solange müssen wir weiterhin Gründe finden, warum wir welche Medien wie einsetzen. Aber bitte nicht wieder und wieder die die alte Leier, die wir schon vor zwanzig Jahren zu Papier brachten. "Fernsehen für die Reichweite, Radio zur Aktivierung, Print für die themen- und zielgruppengerechten Ansprache…" Bla, bla, bla. Weil das selbst vielen Mediaplanern zu langweilig wurde, haben die meisten das Chart, auf dem die Mediastrategie beschrieben war, einfach aus ihren Präsentationen eliminiert. Stimmt nicht? Schauen Sie mal nach.
Media mal ohne Strategie
Also machen wir jetzt Media ohne Strategie. Das klingt nach einer grandiosen Lösung. Geschuldet ist das Drama der Tatsache, dass wir Medien nicht mehr strategisch einsetzen, sondern nach Rabatten. Print wurde - Hand auf’s Herz - doch nur deswegen gekürzt, weil es nun einmal nicht die 80 Prozent Rabatt geben kann, die man an jeder Online-Straßenecke hinterhergeworfen bekommt - und neudeutsch Customer Journey heißt (wegen der Straßenecke vermutlich).
Die Mediastrategie - wenn wir sie denn so nennen wollen - wird längst im Mediaeinkauf gemacht. Den schwarzen Peter dafür schieben sich Kunden und Agenturen gegenseitig in die Schuhe. Doch das macht aus einer Einkaufsstrategie leider immer noch keine Mediastrategie.
Schauen wir uns die Wirklichkeit an. Das Fernsehen verliert Reichweite. So um die zwei Prozent, das kann man hier bei Sevenone Media nachlesen. Noch ärger wird es, wenn man auf seine Kampagnenreichweiten schaut. Da sind es dann gut und gerne mal fünf Prozent und mehr, die plötzlich fehlen. Also braucht man (strategisch) ein Medium, das die fehlende Reichweite ersetzt. Ob sich dazu Online oder Facebook eignen, kann niemand sagen, sondern bestenfalls vermuten.
Print hat uns immer noch nicht den Gefallen getan zu sterben. Im Gegenteil: Print lebt, wie man an G+J’s Einführung von "Barbara" sehen kann. Ohnehin besitzen Zeitschriften eine besondere Funktion, die kein anderes Medium so einfach ersetzen kann. Im Lean-Back-Modus nehmen wir Redaktion und Werbung deutlich intensiver wahr als Online. Wen das Thema interessiert (da es die Printmedien leider nicht selbst kommunizieren), kann es hier nachlesen.
Ich könnte jetzt fortfahren, dass Radio besser eingesetzt werden könnte, als nur Sonderangebote rauszuschreien (wenn man eine Strategie hätte) oder dass Digital-Out-of-Home die Außenwerbung um Zielgruppen-Touchpoints erweitert, von denen wir bislang nur träumen konnten.
Oder dass es bei Programmatic wichtiger sein wird, den richtigen Anteil am Einkauf zu bestimmen, als blindlings loszubuchen.
Oder dass Content nicht automatisch digital ausgeliefert werden muss, weil man doch erst die Zielgruppe, zweitens den Content und dann erst den Kanal bestimmen sollte.
Aber Sie haben meinen Punkt verstanden.
Jedes Medium hat eine individuelle Funktion(sweise), die es einzigartig macht. Eine Funktion für die Nutzer, die zunächst einen unmittelbaren Einfluss auf die Wahrnehmung der Werbung ausübt und dann eine Funktion - somit auch eine definierte Rolle - innerhalb der eigenen Mediastrategie. Aber was sage ich hier: Das weiß ja jedes Kind.
Weil jede Marke (natürlich völlig individuell positioniert) sich in einer anderen Situation befindet und jedes Briefing andere Ziele formuliert und daher richtigerweise jede Kampagne anders aussieht, deshalb macht es ebenso Sinn, jeder Kampagne eine eigene Mediastrategie zu verpassen. Es wäre doch geradezu frevelhaft, ausgerechnet dann, wenn das ganze, schöne Marketinggeld investiert wird, mehr oder weniger den gleichen Media-Mix einzusetzen wie alle Wettbewerber.
Meine Absicht ist nicht, Sie zu überreden, weniger TV und mehr Print oder digitale Medien mit mehr Gefühl und Augenmaß einzusetzen. Denn jede Marke muss ihren eigenen Weg gehen. Und der kann auch heißen, deutlich mehr in TV zu investieren. Das hängt davon ab, ob Sie eine Strategie verfolgen.
Die Verbraucher nehmen es wahr, wenn Sie Ihr Markendesign verändern. Sie nehmen wahr, wenn Sie eine neue Kampagne starten, die besser auf den USP einzahlt. In beiden Punkten werden Sie mir zustimmen. Ebenso nehmen Zielgruppen aber auch wahr, wenn Sie eine individuelle Mediastrategie entwickeln, die sich deutlich von der der Wettbewerber unterscheidet. Erfolgreiche Unternehmen wie Apple machen das.
Ein heißer Advent ist besser als eine misslungene Kampagne
Wenn Sie Interesse haben, die Wirkung Ihrer Kampagne zu steigern, nutzen Sie doch die Besinnlichkeit der Adventszeit, um noch einmal auf Ihre Mediastrategie für das Jahr 2016 zu blicken. Damit meine ich nicht nur die zahlende Kundschaft, sondern ganz besonders die Mediaplaner.
80 Prozent der Mediaverantwortlichen werden dabei feststellen, dass sie gar keine richtige Strategie haben, dass also die Entscheidungen, die zu diesem austauschbaren Mediaplan führten, ziemlich unbegründet daherkommen. Das ist zwar immer noch besser als die 95 Prozent der Kampagnen und 99 Prozent der Online-Werbung, die laut Amir Kassaei Müll sind, bleibt aber dennoch verbesserungsfähig.
Ich sehe eine heiße Adventszeit vor uns und die Adventskränze in den Agenturen lichterloh brennen. Ich sehe Tausende von Kunden, die ihren Mediaagenturen die Adventstüren einrennen und nach einer Strategie rufen, die begründet ist und sich eindeutig vom Einerlei des Marktes abhebt. Und wenn nicht? Dann haben die wenigen Strategen, die jedem Medium in ihrem Streuplan eine klare Funktion und Rolle zugeteilt haben, 2016 wieder leichtes Spiel.
In jedem Spiel gibt es Sieger und Verlierer. Es liegt in Ihrer Hand, wie das Spiel um Aufmerksamkeit, Markenerfolg und Umsatz für Sie ausgeht. Let the games begin.
Der Autor:
Thomas Koch genießt in der deutschen Mediaszene einen legedären Ruf. Er war Gründer und Geschäftsführer der Mediaagentur TKM, die er später mit Starcom Deutschland fusionierte. Heute ist er an mehreren Agentur-Startups beteiligt, berät Unternehmen, führt Medien-Workshops in Schwellen -und Entwicklungsländern durch und schreibt Kolumnen für W&V und die "Wirtschaftswoche". Außerdem ist er Herausgeber des Branchenmagazins "Clap".