
Deloitte Digital:
Andreas Harting: "Es geht nicht darum, im Turf der Agenturen zu wildern"
Deloitte hat die Tochter Deloitte Digital gegründet. Die drei Geschäftsführer Andy Goldstein, Andreas Harting und Nikolay Kolev sollen die Innovationskraft von Start-ups in die Welt der deutschen und internationalen Unternehmen bringen. Warum Innovationen besser von außen angedockt werden, welches Geschäftsmodell hinter dem Aufbau der Start-ups steht und wie die Berater damit in Konkurrenz zu Agenturen gehen, erklärt Andreas Harting im Interview mit W&V Online.
Deloitte geht davon aus, dass Großunternehmen in Zukunft einen Chief Digital Officer benötigen werden, um die digitale Transformation vorantreiben zu können und hat vor diesem Hintergrund in Deutschland die Tochter Deloitte Digital gegründet. Die drei Geschäftsführer Andy Goldstein, Andreas Harting und Nikolay Kolev sollen die Dynamik und Innovationskraft von Start-ups in die Welt der deutschen und internationalen Unternehmen bringen. Wie das funktionieren soll, welches Geschäftsmodell dahinter steht und wie die Berater damit in Konkurrenz zu Agenturen gehen, erklärt Andreas Harting im Interview mit W&V Online.
Herr Harting, Auf internationaler Ebene existiert die Marke Deloitte Digital bereits seit Längerem, jetzt gibt es auch hier eine eigene GmbH. Gibt es deutsche Besonderheiten?
In Deutschland hat Deloitte auch schon vor der Gründung der neuen Unit an Digitalthemen gearbeitet. In den USA gibt es den Full Service Ansatz allerdings schon seit einigen Jahren, was wir jetzt aber hier neu machen ist, dass wir für Dritte eigenständig digitale Geschäftsmodelle aufbauen. Das kann auch ein eigener Accelerator für digitale Produkte und Services sein, wie ihn beispielweise die Allianz betreibt. Aber anders als etwa bei Axel Springers Plug & Play Accelerator, deren Start-ups nicht zwangsläufig direkte Relevanz für Axel Springer haben müssen, blicken wir beim Aufbau eines Start-ups gezielt auf das Produkt- und Serviceportfolio des Kunden. Wir gehen von einer ganz spezifischen Thematik aus, wenn wir ein Start-up aufbauen, die entweder das Kerngeschäft verbessert oder sinnvoll ergänzt, z.B. über die Erschließung neuer Kundengruppen oder die Ergänzung verwandter Produkte, die inhouse nicht so schnell und innovativ entwickelt werden. Später sollen diese Start-ups ja in das Unternehmen überführt werden und agieren letztlich als eigenständige oder integrierte Einheit.
Wenn später die Start-ups ohnehin wieder angedockt werden, könnte man so etwas nicht auch gleich inhouse aufbauen?
Das funktioniert nicht ganz so gut. Eine Nähe zum Stammhaus kann sogar eher bremsen. Denn in diesem Aufbau-Prozess gibt es hohe wirtschaftliche Unsicherheiten, die nicht zu den langwierigen Genehmigungs-Prozessen in Konzernen passen. Aber in die Teams holen wir interne Mitarbeiter von unserem Kunden, Leute von uns und von außen, die dann mit hoher Geschwindigkeit und Pragmatismus agieren. Wenn ein Unternehmen groß genug und in der Lage ist, einen eigenen Accelerator zu betreiben, kann die Fähigkeit, Start-ups inhouse aufzubauen aber entwickelt werden.
Wie rekrutieren Sie die Mitarbeiter dieser Start-ups?
Da suchen wir stark im Gründer- und Agentur-Umfeld und haben auch Headhunter, die sehr gut in der Gründerszene vernetzt sind.
Gut, dass Sie die Agentur-Branche selbst angesprochen haben. Das Thema digitale Transformation weckt ja Geschäftsinteressen in verschiedenen Bereichen: Agenturen haben ihre Beratungs-Units dafür, Berater gründen Digital-Units. Wie schätzen Sie dieses Konkurrenz-Feld ein?
Es gibt natürlich Agenturen, die in diesem Bereich sehr stark sind. UDG, als führende Digitalagentur z.B. hat sich gezielt im Consultingbereich verstärkt oder BBDO hat mit Interone und Proximity Digital-Units, die sich neben involvierender Kommunikation und CRM stärker an Technologie und Business Transformation ausrichten. Historisch sind die Agenturen strategisch und operativ sehr gut bei dem Thema Marke. In der Regel haben Agenturen aber nicht in der erforderlichen Tiefe Kenntnisse von Business Modellen, Prozessen, Manufacturing und den einzelnen Industriedynamiken. Die Strategieberatungen fangen jetzt auch an, operative Kompetenzen aufzubauen. Aber wir sehen auch, dass sich die Big Four alle das Thema digitale Transformation anschauen und dass im Agentur-Umfeld weiter Industrie-Kontakte aufgebaut werden. Doch da gibt es noch viel Nachholbedarf.
Können Berater bei diesem Thema auch davon profitieren, dass sie eine größere Nähe zum Vorstand haben, als Agenturen?
Ja, wir sind auf der Vorstandsagenda, das hilft. Digitale Transformation ist sogar eher auf der Agenda der CEOs. Einige Unternehmen, etwa BASF, Rewe oder Media Saturn, haben bereits einen CDO, einen Chief Digital Officer. Die Deutsche Bank hat gerade einen Vorstand für Digitales berufen. Bei E-Commerce-Unternehmen können hier vielleicht noch ein paar junge Wilde Karriere machen, aber bei Industrie-Unternehmen muss man für so einen Job Transformationsfähigkeiten, eine echte Kenntnis des Geschäftes bzw. "Stallgeruch" und auch Tech-Kompetenz haben. Auch um die Wertschöpfungskette verändern zu können, muss man sie detailliert kennen. Da sind Prüfungs- und Beratungsunternehmen wie Deloitte, die eine breite Eigenleistungsfähigkeit haben, sicher gut aufgestellt. Wenn es ein sehr markengetriebenes Unternehmen ist, können aber auch Agenturen, die auf der CMO-Ebene präsent sind, die digitale Transformation vorantreiben.
Wenn Sie ein Start-up implementieren, welche Auswirkungen würde das auf bestehende Agenturen haben?
Im Zweifel gar keine, ganz im Gegenteil. Es geht nicht darum, im Turf der Agenturen zu wildern. Insbesondere bei B-to-C-Themen werden Agentur-Leistungen gebraucht. Das Ziel ist es ja, neue Geschäftsfelder aufzubauen und nicht, Digital-Kampagnen wegzunehmen. Wir konzentrieren uns eher auf die Datenanalyse, deren Bedeutung für das Geschäft sowie den operativen Aufbau des Geschäftes als auf die Kreation und die Kommunikation. Wir können durchaus mit den Agenturen zusammenarbeiten.
Die Vergütung erfolgt teilweise auch erfolgsabhängig, wie funktioniert das?
Die klassischen Beratungshonorare sind nur ein Teil des Vergütungsmodells. Darüber hinaus gibt es jeweils individuelle Modelle, gesteuert über vordefinierte KPIs. Nach Übergabe der digitalen Einheit (Transferphase) erfolgt die Vergütung ausschließlich über den Erfolg und Deloitte Digital GmbH agiert als unternehmerischer Partner.
Mehr zum Spannungsfeld zwischen Beratern und Agenturen bei der digitalen Transformation von Unternehmen lesen Sie auch in der aktuellen Ausgabe der W&V. Abo?