Das All im Fernsehen, aktuell mit "Gravity" Astronauten im Kino. Auch in der Werbung dient der Weltraum als Projektionsfläche. Was halten Sie von Weltraumwerbung?

Das ist so lächerlich. Die Gelder, die die Werbeindustrie in die Raumfahrt investiert, stehen leider im Missverhältnis zum Nutzen des Images der Raumfahrt. Ich freue mich über die Aufmerksamkeit, die für den Weltraum und die Forschung generiert wird. Ich vermisse aber den kommerziellen Nutzen für die Raumfahrt. Natürlich gibt es Unterschiede. Die Russen fliegen alles rauf, um Devisen zu kassieren. Für die westliche Raumfahrt haben solche Verträge aber eher den Charakter einer strategischen Allianz. Meist lohnt sich der Aufwand nicht. Ich verurteile die Weltraumreklame nicht, aber man muss vorsichtig sein, keine verbrannte Erde zu hinterlassen. Die Wissenschaftlichkeit im All darf nicht torpediert werden. Da sind dem bunten Treiben natürliche Grenzen gesetzt.

Die Kosmetikmarke Axe hat einen TV-Spot („Nichts schlägt einen Astronauten“) gedreht und wirbt mit Buzz Aldrin, dem zweiten Menschen auf dem Mond für die Teilnahme an einem Gewinnspiel mit Weltraumreise. Haben sie schon mal als Testimonial gearbeitet? Wäre das für Sie denkbar?

Zuerst einmal: diese universale Wirkung hat Axe doch gar nicht. Zudem wäre das für mich nicht denkbar. Ich bin Physiker und Astronaut, es würde gegen den Ehrenkodex sprechen, wenn ich die Möglichkeit ins All zu fliegen, zu persönlichen Money-Making-Zwecken nutzen würde. Es gibt für Astronauten sogar einen Crew-Code-of-Conduct. Wir sind für die Zeit des Einsatzes einem ethischen Standard verpflichtet. So dürfen wir keine Items wie Briefmarken oder Münzen ins All mitnehmen und danach über Ebay verkaufen. Wenn eine Agentur einen Vertrag macht, über eine Produktentwicklung im All, führen wir das durch. Die Frage ist aber, wieweit verkaufen wir damit auch unsere Persönlichkeitsrechte. Inwieweit steht ein Astronaut dann persönlich für ein Produkt. Kontrovers finde ich zum Beispiel Parfumwerbung, wie damals von Givenchy.

Weltraum als Verkaufsvehikel. Wird dieser Trend anhalten?

Der Trend ist fortlaufend, aber bitte nicht mit Glitzeranzügen. Ich bin zwar Karnevalsjeck in Köln, aber das hat nichts mit Astronautik zu tun. Raumfahrt hat Appeal. Das sind auch ziemlich sinnvolle Dinge, die wir da oben unter harten Umständen machen. Dass die Werbung darauf aufspringt, ist ok. Nur muss man nicht jeden, der sich Astronaut schimpft, für bare Münze nehmen. Was beispielsweise Richard Branson mit Virgin Galactic macht, hat nichts mit Astronautik zu tun. Da handelt es sich nur um hochfliegende Flugzeuge. Man muss vorsichtig sein, wenn sich Leute an das Thema Astronautik ranschmeißen und im Prinzip nur Bungee-Jumping in die andere Richtung machen. Auch der Baumgartner-Sprung war zwar fantastisch vermarktet, hat aber nichts mit unserem Metier zu tun. Das war eine sehr gut gemachte Zirkusnummer.

Als Astronaut haben sie es am eigenen Leib erfahren. Was macht die Faszination Weltraum aus?

Die Faszination geht in beide Richtungen. Der Mensch will sehen, was jenseits des Horizonts ist. Das ist der Forscher in uns. Wir schauen ins Weltall, um das Unerreichbare selbst in Augenschein zu nehmen. Und die Menschen, die im All sind, blicken aus der Weltraumperspektive zurück auf die Erde.

Aktuell weckt der Astronauten-Film „Gravity“ diese Sehnsüchte und scort in den Kinocharts. Ist der Film realistisch?

Ich habe den Film gesehen und finde, dass die Reaktionen auf die Katastrophen falsch dargestellt wurden. Der Film hätte auch mit weniger funktioniert. Aber die Einsamkeit, das Gefühl der Kleinheit und der Ohnmacht, alles das überkommt ja die Protagonistin im Film. Das ist realistisch.

Haben Sie selbst einen solchen Kontrollverlust erlebt?

Kontrollverlust ist eine interessante Größe. Unser Training versetzte uns in die Lage, die Elemente zu steuern. Zu keinem Zeitpunkt unseres Fluges waren wir außerhalb dieses Rahmens. Nur beim Rückflug, als die Kapsel heftig rüttelte und wilde Kräfte einwirkten, musste man nur noch auf das Material vertrauen. Da dachte ich schon,‘ Lehn dich zurück, lass es geschehen, du kannst eh nichts machen‘. Eine andere Situation war unser Feuer. Wir hatten am 14. Tag eine Katastrophensituation, als eine Sauerstoffflasche explodierte. Aber auch da waren wir immer in der glücklichen Lage, noch einen Plan B zu haben.


Autor: Katrin Otto

ist Expertin für Medien. Sie schreibt über Radio, Außenwerbung, Kino, Film und und natürlich Podcast und Streaming. Privat ist sie gern auf Konzerten, im Kino oder im Wasser.