
Preiskampf im Gesundheitsmarkt:
BGH erlaubt Werbung mit Verzicht auf Kassen-Zuzahlung
Der Bundesgerichtshof (BGH) macht den Weg frei für mehr Preiskampf bei medizinischen Hilfsmitteln. Die Händler dürfen nach einem Grundsatz-Urteil darauf verzichten, ihren Kunden die Zuzahlung an die gesetzliche Krankenkasse zu berechnen.

Foto: Bundesgerichtshof / Joe Miletzki
Krankenversicherte freut es, wenn sie um die Zuzahlung aus der eigenen Tasche herumkommen - aber dürfen Händler auf das Einziehen verzichten? Diese Frage hat am Donnerstag den Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe beschäftigt. In dem Fall haben Wettbewerbsschützer einen auf Diabetiker-Bedarf spezialisierten Versandhändler aus der Nähe von Ulm verklagt, weil dieser in seinem Online-Shop mit dem Erlass der Zuzahlung geworben hatte.
Nun hat der BGH dem Händler Recht gegeben und macht damit den Weg frei für mehr Preiskampf bei medizinischen Hilfsmitteln wie Bandagen, Hörgeräten oder Rollstühlen. Die Händler dürfen nach einem Grundsatz-Urteil darauf verzichten, ihren Kunden die Zuzahlung an die gesetzliche Krankenkasse zu berechnen. Zwar seien die Versicherten prinzipiell zur Selbstbeteiligung verpflichtet, entschieden die Karlsruher Richter am Donnerstag. Dem Händler steht es demnach aber frei, von der Einziehung auf eigene Kosten abzusehen.
Bei typischen Produkten wie Blutzuckerteststreifen oder Lanzetten werden eigentlich zehn Prozent der Packungskosten fällig. Der Händler hatte davon abgesehen, diesen Betrag in Rechnung zu stellen. Nach seiner Darstellung geht es um Kleinstbeträge, deren Eintreibung bei Online-Bestellungen sowohl der Firma als auch dem Kunden unverhältnismäßig viel Aufwand verursache.
Wettbewerbshüter sehen Nachteile für Apotheken
Nach den Beobachtungen der Wettbewerbszentrale ist das kein Einzelfall. "Das scheint durchaus ein beliebtes Marketingmittel zu sein", sagt Geschäftsführungs-Mitglied und Gesundheitsexpertin Christiane Köber. Gerade um Diabetiker, die regelmäßig viel Geld für Hilfsmittel ausgeben müssen, sei auch bei anderen Händlern mit dem Erlass der Zuzahlung geworben worden. Die Wettbewerbshüter sehen durch diese Praxis Mitbewerber wie Apotheken im Nachteil. Sie kritisieren, dass solche Aktionen den Sinn und Zweck der Zuzahlungen aushöhlen - nämlich den Versicherten vor Augen zu führen, dass jede Leistung im Gesundheitssystem Geld kostet. Leidtragende seien die Apotheker. "Deutsche Apotheken müssen Zuzahlungen nehmen", erläutert Ursula Sellenberg von der Spitzenorganisation Abda. Anders als Sanitätshäusern und anderen Händlern drohen ihnen sonst berufsrechtliche Konsequenzen wie Geldstrafen. Die Folgen liegen für Köber auf der Hand: "Wenn ich in der Apotheke die Zuzahlung leisten muss, weil der Apotheker sonst heftige Probleme mit seinem Berufsgericht bekommt, dann gehe ich doch lieber zum Händler und spare da monatlich doch ganz erhebliche Beträge." Um die Sache zu klären, hat die Wettbewerbszentrale den Ulmer Händler verklagt.
Kampf im Arzneimittel-Markt
"Wir haben ein grundsätzliches Problem", meint Köber. "Einerseits gibt es im Hinblick auf das sensible Rechtsgut Gesundheit viele Regeln. Andererseits wird Wettbewerb gefordert, um möglichst günstige Preise zu erzielen. Das passt nicht immer zusammen." Größte Baustelle ist im Moment der Streit um die deutsche Preisbindung: Bundesweit haben alle Apotheken rezeptpflichtige Medikamente zum selben Preis abzugeben. Daran mussten sich auch ausländische Online-Apotheken wie DocMorris halten - bis zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Oktober, der den freien Warenverkehr behindert sah. Angestrebt ist jetzt, die deutsche Praxis durch ein komplettes Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Medikamenten zu retten. (dpa/fs)