Der Autobauer Volkswagen will unverändert an seinen britischen Gesellschaften festhalten. "Es ist zu früh, alle Auswirkungen auf die Aktivitäten des Unternehmens zu bewerten. Vor Ort werden wir mit der britischen Regierung sowie der Automobilindustrie zusammenarbeiten, um eine positive Zukunft für unser Unternehmen sicherzustellen", hieß es. Großbritannien ist der zweitgrößte Markt von Volkswagen in Europa, außerdem baut das Unternehmen dort Autos der Luxus-Marke Bentley. Gut 4000 Mitarbeiter sind in den britischen Gesellschaften beschäftigt.

Auch Opel ist durch die Schwester Vauxhall eng mit Großbritannien verflochten. Der Konzern fordert nun eine schnelle Klärung der künftigen Wirtschaftsbeziehungen. Opel-Chef Karl-Thomas Neumann bekundet Solidarität auf Twitter:

Der Technologiekonzern Bosch will in Großbritannien an seinem bisherigen Kurs festhalten. "Wir haben derzeit keine Pläne, unsere Investitionen in Großbritannien zurückzufahren", erklärte Bosch-Chef Volkmar Denner. Autozulieferer Continental sprach von geringen Konsequenzen für sein Geschäft. "Die direkten wirtschaftlichen Auswirkungen auf Continental sind voraussichtlich nur begrenzt", sagte Unternehmenschef Elmar Degenhart.

Die großen deutschen Energiekonzerne Eon und RWE erwarten ebenfalls nur begrenzte Folgen des Brexit. "Die Konsequenzen für Eon sind wohl beherrschbar", sagte Konzernchef Johannes Teyssen. "Unser Geschäft in Großbritannien ist ein regionales." RWE-Chef Peter Terium erklärte: "Ich bin sehr zuversichtlich, was unser Geschäft mit Energie und Energiedienstleistungen in Großbritannien betrifft."

Eon und RWE haben im Vereinigten Königreich jeweils rund fünf Millionen Strom- und Gaskunden. Aktien beider Unternehmen gehörten am Freitag zu den großen Verlierern an der Börse. Über die Entscheidung an sich äußerte sich RWE-Chef Terium selbst "schockiert". "Wir verlieren einen starken Mitstreiter für Marktwirtschaft, Eigenverantwortung und Wettbewerb", erklärte der niederländische Manager. Teyssen sagte, "Das Votum ist eine immense Herausforderung - wirtschaftlich, aber mehr noch politisch." In den kommenden Monaten müsse geklärt werden, wie die Europäische Union ihr politisches und wirtschaftliches Verhältnis zu dem Vereinigten Königreich gestalte.

Der Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus stellt unterdessen seine Investitionspläne auf den Prüfstand. Vorstandschef Tom Enders sagte, Großbritannien werde sich jetzt "noch mehr auf die Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft gegenüber der EU und der gesamten Welt fokussieren. Aber natürlich werden wir unsere Investitionsvorhaben in Großbritannien überdenken, so wie jeder andere auch." Er hoffe, dass der wirtschaftliche Schaden durch den Brexit klein bleibe.

Auch Unternehmen mit kleineren Engagements im Vereinigten Königreich wie der Darmstädter Pharmakonzern Merck äußerten Bedenken. "Wir bedauern, dass die Mehrheit der Briten die Entscheidung zum Austritt Großbritanniens aus der EU getroffen hat, die ja auch den Verlust des Zugangs zum freien Binnenmarkt der EU bedeutet", hieß es. Ein Verkauf von Geschäftsteilen in Großbritannien sei kurzfristig nicht geplant, für langfristige Aussagen sei es zu früh. "Was man sagen kann ist, dass ein Verbleib in der EU es langfristig sicher für alle einfacher gemacht hätte", hieß es. Merck beschäftigt in Großbritannien gut 1400 Mitarbeiter.

Auch Online-Händler Zalando hat in Großbritannien einen Standort. Das Unternehmen sei der beste Beweis für den Erfolg der Europäischen Union, schreibt Delphine Mousseau, VP Markets, im Corporate Blog.

We are convinced that notably the convenient cross-border commerce and the freedom of movement for workers within the European Union are key factors for the success of Zalando and other players.

Zalando bleibe auch nach dem Votum ein europäisches Unternehmen und werde mit Großbritannien zusammenarbeiten, schließlich habe das Unternehmen bereits Erfahrungen mit Ländern, die nicht zur EU gehören, wie Norwegen und Schweiz. 

We are confident that we will find a solution to establish smooth processes for the UK and its Zalando customers going forward.

Mit Sorge reagieren Verbände. Die FAZ zitiert Markus Kerber, Hauptgeschäftsführer des Bundesverband der Deutschen Industrie: Der drohende Verlust des Zugangs zum Binnenmarkt werde die britische Wirtschaft und deutsche Unternehmen mit Geschäft im Vereinigten Königreich „hart und unmittelbar“ treffen: „Wir erwarten in den kommenden Monaten einen deutlichen Rückgang des Geschäfts mit den Briten. Der bilaterale Handel dürfte leiden. Neue deutsche Direktinvestitionen auf der Insel sind kaum zu erwarten."

"Destination unknown - Großbritannien geht auf eine ungewisse Reise", schreibt die Deutsch-Britische Handelskammer AHK in ihrem Statement. "Das Ergebnis des gestrigen Referendums, welches die EU-Austrittsbefürworter mit 52 % der Stimmen gewonnen haben, wird von weiten Teilen der Wirtschaft mit Schrecken aufgenommen, denn es ist derzeit unklar, wie sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zwischen Großbritannien und der EU zukünftig entwickeln werden." Nun gelte es "einen kühlen Kopf zu bewahren und die Bereitschaft zu zeigen, aufeinander zuzugehen, um die  wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen auf das Vereinigte Königreich und die EU unter Kontrolle zu halten – denn, mit oder ohne britischer Mitgliedschaft in der EU, sitzen alle Europäer bei den allermeisten wirtschaftlichen und politischen Themen auch weiterhin im selben Boot."

Das gilt eigentlich auch für den Fußball, der britische Sport blickt nun aber in eine ungewisse Zukunft. Ohne EU-Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs hätten allein rund 100 aktuelle Fußball-Profis der Premier League keine Arbeitserlaubnis erhalten, darunter auch mehrere Deutsche.

Hart trifft der Brexit auch die britischen Fluglinien. Die britische Billigfluglinie Easyjet bastelt an Optionen zur Sicherung ihres Geschäftsmodells, und ihre irische Rivalin Ryanair äußerte sich schockiert. Als Verliererin sieht sich vorerst auch die einstige Staatsfluglinie British Airways.


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Autor: W&V Redaktion

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