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Christian Rätsch: Der neue Saatchi-Chef im W&V-Porträt
Ex-Telekom-Manager Christian Rätsch ist für viele ein eher unbeschriebenes Blatt. Doch der 41-jährige Vater von vier Söhnen bringt ganz klare Vorstellungen mit, was Kommunikation bewirken kann und muss. W&V-Redakteur Peter Hammer stellt den neuen Saatchi & Saatchi-Chef vor.
Ex-Telekom-Manager Christian Rätsch ist für viele ein eher unbeschriebenes Blatt. Doch der 41-jährige Vater von vier Söhnen bringt ganz klare Vorstellungen mit, was Kommunikation bewirken kann und muss. W&V-Redakteur Peter Hammer stellt den neuen Saatchi & Saatchi-Chef vor.
Damit hatte Christian Rätsch nicht gerechnet. Nur gut zwei Tage, nachdem bekannt wurde, dass er am 1. November die Führung von Saatchi & Saatchi Deutschland übernimmt, gab es auf diversen Online-Seiten, darunter der eigenen, an die 100 Kommentare. Positive. Nicht nur von Zeitgenossen, die er kennt. Auch viele Unbekannte, darunter etliche seiner künftigen Kollegen, meldeten sich zu Wort und wünschten ihm viel Erfolg. "Ich war richtig gerührt", sagt Rätsch, selbst ein begeisterter Social-Media-Fan und aktiver Blogger. Für den ehemaligen Head of Marketing für kleine und mittlere Unternehmen bei der deutschen Telekom ist der Saatchi-Posten ein "Traumjob". Zumal sich in seinen Augen ein Kreis schließt, der 1992 seinen Anfang nahm.
Damals heuerte der heutige Diplomkaufmann als Trainee bei der Agentur Havas (vorher Euro RSCG) in Düsseldorf an. Gut zwei Jahre verbrachte er in der Agentur. Danach betreute er studienbegleitend den GWA – bei Biwak, der Nachwuchsfibel des Branchenverbands. Auch bei seiner anschließenden Tätigkeit für Batten & Company (vorher BBDO Consulting) war "ich immer der Kommunikation nahe", sagt Rätsch. Themen wie Markenarchitektur oder -positionierung beschäftigten ihn. Reine Powerpoint-Präsentationen waren nicht sein Ding. Selbst auf Unternehmensseite "waren mein Fuß und meine Hand stets in der Werbung." Darum wollte der 41 Jahre alte Manager noch vor wenigen Wochen mit einer eigenen Agentur an den Start gehen, mit "Kommunikationsberatung auf dem Punkt". Das Konzept stand, sagt Rätsch, erste Kunden und Projekte habe es gegeben. Selbst eine Partneragentur für den digitalen Bereich hatte er gefunden.
Doch dann klopfte überraschend Robert Senior an, der Europachef von Saatchi & Saatchi. Aus dem geplanten einstündigen Gespräch wurde ein eintägiges Sich-Austauschen. Ein Anfang, der mit einem Vertrag endete. Rätschs Vorstellungen, wie sich "Werbung" weiterentwickeln muss, sind schnell zu verstehen. Er selbst spricht lieber von Kommunikation. Und davon, dass es gelingen muss, die Kreativität in der Wertschöpfungskette der Kunden nach vorne zu bringen. "Es reicht einfach nicht, nur auf das Briefing zu warten und es abzuarbeiten", sagt er. Er will Saatchi früher ins Spiel bringen: beim Produkt, dem Vertrieb, bei Service und Kundenbindung. Sein Lieblingsbeispiel, was eine Agentur leisten kann, ist die Individualisierungskampagne von Coca-Cola. Hier ist es in seinen Augen gelungen, durch eine kreative Idee für die Herstellung und dank eines guten Schulterschlusses mit der Kommunikation die Marke neu zu positionieren.
Geringer Aufwand, große Wirkung. Das gefällt Rätsch, der nicht an die 360-Grad-Kommunikation glaubt. Er postuliert, es müsse vielmehr einen 365-Tage-Markendialog geben. Wie, über welche Medien oder Touchpoints – das ist erst mal offen. Dennoch wird schnell klar, dass Rätschs Herz für die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation schlägt. Vor gut vier Jahren hatte er damit begonnen, sich mit Social Media auseinanderzusetzen und zu nutzen. Anfangs durchaus vorsichtig, inzwischen aber ohne Hemmungen. Rätsch: "Ich lasse mich gerne in Frage stellen – mit meinen Thesen - und empfinde Kritik erst mal als Bereicherung."
Zwei Punkte gibt es, die für ihn elementar für gute Werbung, pardon Kommunikation, sind. So Emotionalität. Sie "ist Türöffner und Schmierstoff für Vertrauen", sagt er. Emotionalität mache verwundbar. Und wer betroffen ist, gehe eine Beziehung mit dem Auslöser der Betroffenheit ein. Nicht weniger wichtig: Einfachheit. Rätsch: "Wir strapazieren die Menschen. Vieles von dem, was in der Kommunikation geschieht, ist zu komplex und zu weit weg, als dass es die Menschen erreichen würde." Dann heißt es oft "verpasste Chance".
Genau mit diesen Worten kommentiert Christian Rätsch auch viele Spots im Werbeblock, auf dem Sofa abends daheim. Denn nur selten überzeugen sie ihn. Dennoch zappt er selten weg, wenn ihn das Gezeigte langweilt. Eher wechselt seine Aufmerksamkeit auf das Tablet-PC, das neben ihm liegt. Denn der Manager ist auch ein bekennender Second-Screen-Nutzer. Und Gärtner. Wenn es die Zeit erlaubt, dann geht Rätsch in den eigenen Garten. Während seine Söhne, vier an der Zahl, Fußball spielen, kümmert er sich gerne um die Pflanzen.