Doch dann klopfte überraschend Robert Senior an, der Europachef von Saatchi & Saatchi. Aus dem geplanten einstündigen Gespräch wurde ein eintägiges Sich-Austauschen. Ein Anfang, der mit einem Vertrag endete. Rätschs Vorstellungen, wie sich "Werbung" weiterentwickeln muss, sind schnell zu verstehen. Er selbst spricht lieber von Kommunikation. Und davon, dass es gelingen muss, die Kreativität in der Wertschöpfungskette der Kunden nach vorne zu bringen. "Es reicht einfach nicht, nur auf das Briefing zu warten und es abzuarbeiten", sagt er. Er will Saatchi früher ins Spiel bringen: beim Produkt, dem Vertrieb, bei Service und Kundenbindung. Sein Lieblingsbeispiel, was eine Agentur leisten kann, ist die Individualisierungskampagne von Coca-Cola. Hier ist es in seinen Augen gelungen, durch eine kreative Idee für die Herstellung und dank eines guten Schulterschlusses mit der Kommunikation die Marke neu zu positionieren.

Geringer Aufwand, große Wirkung. Das gefällt Rätsch, der nicht an die 360-Grad-Kommunikation glaubt. Er postuliert, es müsse vielmehr einen 365-Tage-Markendialog geben. Wie, über welche Medien oder Touchpoints – das ist erst mal offen. Dennoch wird schnell klar, dass Rätschs Herz für die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation schlägt. Vor gut vier Jahren hatte er damit begonnen, sich mit Social Media auseinanderzusetzen und zu nutzen. Anfangs durchaus vorsichtig, inzwischen aber ohne Hemmungen. Rätsch: "Ich lasse mich gerne in Frage stellen – mit meinen Thesen - und empfinde Kritik erst mal als Bereicherung."

Zwei Punkte gibt es, die für ihn elementar für gute Werbung, pardon Kommunikation, sind. So Emotionalität. Sie "ist Türöffner und Schmierstoff für Vertrauen", sagt er. Emotionalität mache verwundbar. Und wer betroffen ist, gehe eine Beziehung mit dem Auslöser der Betroffenheit ein. Nicht weniger wichtig: Einfachheit. Rätsch: "Wir strapazieren die Menschen. Vieles von dem, was in der Kommunikation geschieht, ist zu komplex und zu weit weg, als dass es die Menschen erreichen würde." Dann heißt es oft "verpasste Chance".

Genau mit diesen Worten kommentiert Christian Rätsch auch viele Spots im Werbeblock, auf dem Sofa abends daheim. Denn nur selten überzeugen sie ihn. Dennoch zappt er selten weg, wenn ihn das Gezeigte langweilt. Eher wechselt seine Aufmerksamkeit auf das Tablet-PC, das neben ihm liegt. Denn der Manager ist auch ein bekennender Second-Screen-Nutzer. Und Gärtner. Wenn es die Zeit erlaubt, dann geht Rätsch in den eigenen Garten. Während seine Söhne, vier an der Zahl, Fußball spielen, kümmert er sich gerne um die Pflanzen.


Peter Hammer
Autor: Peter Hammer

Er begleitet seit vielen Jahren redaktionell die Agentur-Branche, kennt noch die Zeiten, als Werbung "sexy" war und mancher Protagonist wie ein Popstar gefeiert wurde. Das Hauptaugenmerk gilt aktuell den Themenfeldern "Agenturstrategie" sowie "Etats & Pitches". Vor allem interessieren ihn innovative Geschäftsmodelle und Konzepte, mit denen die Branche erfolgreich auf die permanenten Veränderungen in der Kommunikation reagieren kann.