Verusnicherung in Deutschland

Bei allem Optimismus macht sich auch in Deutschland mehr und mehr Verunsicherung breit.

Es sind Ergebnisse des aktuellen "Consumer Sentiment Pulse Check". Seit März 2020 befragt McKinsey regelmäßig repräsentativ Konsumenten in über 30 Ländern weltweit, 10 davon in Europa.

Marken müssen die Sinnfrage stellen

In der Folge der Krise ändern sich das Konsumverhalten und die Erwartungen an Marken. Sie, so ein Ergebnis von Post-Pandemie-Konsum, müssen künftig nicht nur vielleicht ehrlicher, faktenbasierter kommunizieren, sondern sich konsequent der Sinnfrage stellen. "Inzwischen ist das Thema wirklich bei unseren Kunden angekommen. Sie wissen, dass sie Verantwortung übernehmen müssen", sagt Sascha Lehmann, Partner und Leiter der europäischen Marketing Service Line bei McKinsey. Dazu gehört auch Transparenz. Die Kunden wollen genauer über die Entstehung von Produkten, Lieferketten und in Anspruch genommenen Ressourcen informiert werden. Aber "eine Marke hat jetzt die Kraft, die Existenzberechtigung von Unternehmen in den Krisenzeiten zu manifestieren und Mut zu machen, zudem ist die Marke entschiedener Motor der Transformation", heißt es dazu in der Übersicht. Gleichzeitig wird es, wenn auch nicht in allen Branchen gleich stark ausgeprägt, zu Preiskriegen kommen und bei der Kommunikation stark auf promotionale Maßnahmen gesetzt werden. Und sei es nur, um verloren gegangenen Umsatz zurückzuholen oder übervolle Lager zu leeren.

Sechs Prognosen für die Zeit danach

Rethinking Globalization Das Verhältnis zur internationalen Vernetzung ist erschüttert. Das Zusammenbrechen internationaler Lieferketten und die dadurch spürbaren Engpässe in der Versorgung bewegen die Konsumenten dazu, neu zu denken: Warum brauchen wir Ware aus aller Welt? Warum suchen wir nicht in unserem regionalen Radius nach Waren und Wertschöpfung? Marken müssen sich stärker mit ihrer nationalen und internationalen Identität auseinandersetzen, um Konsumenten schlüssige Antworten darüber zu geben, wo beschafft, produziert und vertrieben wird.

Konsument 4.0 Egal ob Home-Office in der Küche, Skype Sessions mit den Enkeln, Ausprobieren von Lieferdiensten, erste Unterhaltungen mit Alexa und Siri oder Training mit der Fitness-App: Die Quarantäne hat die Konsumenten bereit gemacht für digitale Services. Für viele Unternehmen können hier neue Erlösmodelle entstehen. Voraussetzung dafür sind funktionierende und digitale Ökosysteme, zusammengehalten von der digitalen DNA der eigenen Marke.

Bubble Society
Die physischen Kieze sind stärker zusammengerückt. Regionale Plattformen für Nachbarschaftshilfe oder zur Unterstützung lokaler Betriebe halten in ganz Deutschland die Gesellschaft zusammen. Durch den rein digitalen Austausch verstärken sich aber auch digitale Echokammern. Durch diese Entwicklungen wächst die Kommunikationsaufgabe für Marken. Es gilt die richtigen Zugänge zu etablieren, um diese Blasen als eigene Gestaltungsräume zu nutzen. Physisch wie digital.

Verkürzte Customer Journey Dadurch, dass sich das Leben der Menschen in die eigenen vier Wände verschoben hat, sind aktuell Änderungen der Vertriebswege zu beobachten. Digitale Assistenten, Lieferdienste und Abo-Modelle boomen. Dadurch werden stationär gelisteten Marken zumindest kurzfristig die oberen Funnel-Stufen abgeschnitten. Ob sich diese Entwicklung auch langfristig halten wird, wird sich zeigen. Durchgehend reversibel werden die Änderungen des Konsumentenverhaltens aber nicht sein.

Renaissance der Fakten Ob Virologe Professor Drosten oder die Physikern Angela Merkel: Wir erleben ein Hoch faktenbasierter Berichterstattung. Diese neue Lust auf das Validierte und Verifizierte kann den Transparenzanspruch an Marken deutlich erhöhen.

Employer Branding At Home Ein ganzes Land im Home-Office - zumindest für die Wissensgesellschaft fühlt sich das so an. Für Arbeitgebermarken fügt sich damit eine neue Dimension hinzu, die gestaltet werden muss. Sei es die Haltung zur Office-Home- Balance, die Qualität der virtuellen Infrastruktur oder die bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen digitalen Kultur: Hier entsteht Handlungsbedarf.

Es sind andere Rahmenbedingungen, auf die sich Marken einstellen müssen. Welchen Gestaltung- oder Wirkraum sie dabei haben, definieren laut den Autoren des Whitepapers drei Spannungsfelder mit jeweils gegensätzlichen Polen. So dockt der emotionale Radius einer Marke an globale oder lokale Konsumentenbedürfnisse an. Das heißt, von ihnen wird erwartet, dass sie sowohl den globalen Herausforderungen gerecht werden, gleichzeitig aber auch lokale Bedürfnisse befriedigen und mithelfen, lokale Probleme zu lösen. Der soziale Mehrwert einer Marke wiederum verstärkt entweder individuelles oder kollektives Streben. Und die Grundorientierung einer Marke adressiert das Verhältnis zwischen Vor- und Rückwärtsgewandtheit.

Wirkraum Marke

Innerhalb der drei Spannungsfeldern bewegt sich die Marke.

Vieles davon klingt einleuchtend. Allerdings gibt es wohl aktuell wenige Unternehmen, die als Vorbilder für entsprechend zukunftsgerichtetes Verhalten genannt werden können oder sich bereits als "Gewinner" der postviralen Zeit abzeichnen. Zumindest vermittelte Jesko Perrey, Senior Partner und Global Knowledge Leader Marketing & Sales Practice bei McKinsey, diesen Eindruck. Denn seine Beispiele, darunter Starbucks, das Kaffee an Helfer abgibt oder Luxuswaren-Anbieter, die Desinfektionsmittel herstellen, dürften bei den mit der Krise kämpfenden Unternehmen nicht den großen Aha-Effekt auslösen. Bei aller Unterstützung dieser und vergleichbarer Aktionen.

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Peter Hammer
Autor: Peter Hammer

Er begleitet seit vielen Jahren redaktionell die Agentur-Branche, kennt noch die Zeiten, als Werbung "sexy" war und mancher Protagonist wie ein Popstar gefeiert wurde. Das Hauptaugenmerk gilt aktuell den Themenfeldern "Agenturstrategie" sowie "Etats & Pitches". Vor allem interessieren ihn innovative Geschäftsmodelle und Konzepte, mit denen die Branche erfolgreich auf die permanenten Veränderungen in der Kommunikation reagieren kann.