
DSGVO:
Dialogmarketing als Weg aus der Engagement-Krise
Da man sich in Zeiten der DSGVO Marketing-Opt-ins von jedem Kunden verdienen muss, sind neue Engagement-Strategien erforderlich. Zum Beispiel die Kontaktaufnahme mit dem Verbraucher im echten Leben.

Foto: Fotolia
2018 war für die Beziehung zwischen Marken und Verbrauchern kein gutes Jahr. Das Inkrafttreten der Datenschutzverordnung (DSGVO) in der EU und des California Consumer Privacy Act (CCPA) in den USA hat zu strikten Auflagen für das Consumer Marketing geführt. Durch die neuen Vorschriften zur Datenverarbeitung ist es deutlich schwieriger geworden, die Verbraucher mit digitalen Marketing Tools zu erreichen. Zudem werden immer größere Mengen an Online-Kaufverhaltensdaten heute von den E-Commerce-(Quasi-)Monopolisten abgeschöpft. Lässt sich daraus schließen, dass wir uns in einer Art digitalen Customer-Engagement-Krise befinden?
Es sieht ganz danach aus: Nach Ansicht einiger Branchenexperten hat die DSGVO bis zu 60 Prozent der E-Mail-Kontaktlisten, die zu Marketingzwecken genutzt wurden, im Alleingang vernichtet. Daher verwundert es nicht, dass 59 Prozent der nordamerikanischen Marketingfachleute in einer Studie die Steigerung des Customer Engagements als oberste Priorität nennen.
Da man sich Marketing-Opt-ins heute von jedem Kunden einzeln verdienen muss, sind für Marken neue Engagement-Strategien erforderlich. Dabei zeichnet sich eine Neuentdeckung und Neuinterpretation analoger Tools ab, die auf die Kontaktaufnahme mit dem Verbraucher "In Real Life" (IRL) abzielen. Dem Thema Dialogmarketing kommt dabei besondere Bedeutung zu, da hier das hohe Maß an datenbasierter Personalisierung, dass Verbraucher heute aus dem Online-Bereich gewohnt sind in Kombination mit physischen Werbemitteln eine starke Wirkung entfalten kann.
Bei richtiger Anwendung können die folgenden Tools sich als Weg aus der drohenden Engagement-Krise erweisen.
1. Direktmailing
Ob hochwertige Printmedien, personalisierte Coupons oder Produktbotschaften: Ein handfestes Print-Produkt in den richtigen Händen verfehlt seine Wirkung auch in Zeiten der Digitalisierung nicht. Das Wichtigste dabei ist, die richtigen Zielgruppen zu erreichen. Hierfür werden die Adresslisten über Omnichannel-Marketingplattformen sorgfältig eingegrenzt, um die richtigen Empfänger anhand personenbezogener Parameter wie Standort, Bildung, Haushaltseinkommen, Kaufhistorie anzusprechen.
Brancheninsider bestätigen das Potenzial von Direktmailings, wenn sie mit datengestütztem Targeting kombiniert werden. In einer StreetFight-Umfrage von 2018 bewerteten 29 Prozent der US-amerikanischen Marketer Direktwerbung als ebenso effektiv wie Unternehmensseiten auf Social-Media-Kanälen.
2. Events und Konzerte
Viele Verbraucher nehmen es in Kauf, für den kostenlosen Zutritt zu einem Konzert oder einer Sportveranstaltung persönliche Daten preiszugeben. Seit Jahren veranstalten Unternehmen wie Red Bull oder Mountain Dew eigene Konzert- und Sportfestivals, um ihre Präsenz im öffentlichen Bewusstsein zu erhöhen. In einer Opus-Umfrage zur Motivation für den Einsatz von Events nennen 64 Prozent der befragten Brand Marketer die Steigerung der Markenbekanntheit, gefolgt von Umsatzsteigerung (62 Prozent) und Kundeninformation (60 Prozent).
IRL-Events bilden auch den perfekten Rahmen für User Generated Content (UGC). Gäste, und vor allem Influencer transportieren die gute Stimmung aus den Events in die Social-Media-Welt. Künstler wie Kanye West erreichen auf diesem Weg unzählige digitale Touchpoints, indem sie beispielsweise für „VIP-Fans“ Album-Hörpartys veranstalten. Der Selligent-Kunde BMW of North America schließt die Lücke zwischen realem und digitalem Marketing: Er nutzt Verbraucherprofile, um Leads mit hoher Relevanz zu identifizieren und lädt zu exklusiven Veranstaltungen, deren Besucherzahlen sich inzwischen verdoppelt haben.
3. Events mit Influencern
Offline-Events entfalten oftmals erst in der digitalen Welt ihr volles Potenzial – wenn die richtigen Influencer anwesend sind. Diese sollten mit der gleichen Sorgfalt kuratiert werden, wie die Veranstaltung selbst. Dabei ist Vorsicht geboten: Einige „Influencer“ gaukeln mithilfe von Bots mehr Reichweite vor, als sie tatsächlich haben.
Umfragen unter britischen und US-amerikanischen Marketern spiegeln den Trend wider – 43 Prozent planten, 2018 mehr Geld für Influencer-Marketing auszugeben als im Jahr zuvor. Erwartungsgemäß spielt vor allem visueller Content eine wichtige Rolle. Für 36 Prozent der Kosmetik-, Mode- und Luxusmarketer in Europa ist Instagram derzeit die bevorzugte Influencer-Marketingplattform.
4. In-Store-Aktivierung von Marken
Ohne Zweifel: E-Commerce wird weiterhin gewaltig wachsen – doch die Wirkung, die Marken im realen Handelsumfeld nach wie vor entfalten, sollte nicht unterschätzt werden. Erfolgreiche Labels aus dem Sneaker- und Streetwear-Bereich befeuern ihren Kultstatus, indem sie limitierte Produkte exklusiv im stationären Handel „droppen“. Retailer aus allen Segmenten nutzen In-Store-Events- und Aktivierungen, um Marken- und Produktbekanntheit zu steigern. Und die Verbraucher lieben es: 75 Prozent kauften ihre Weihnachtsgeschenke 2018 im stationären Handel ein.
Zeitgemäße Marken sammeln in ihren stationären Verkaufsstellen wertvolle Daten. Indem das Kundenprofil durch Daten zu Filialbesuchen und Offline-Käufen ergänzt wird, werden personalisierte Produktempfehlungen möglich. Auch Verlosungen und Werbegeschenke erweisen sich bei der Erfassung demografischer Daten als wirkungsvoll.
5. Kurse und Workshops
Für den stationären Einzelhandel wird es immer schwieriger, Besucher in die Geschäfte zu locken. Vor diesem Hintergrund erweisen sich Kurse und Workshops als leistungsfähige IRL-Marketinginstrumente. Beispielsweise ist die US-Lebensmittelkette Whole Foods mit ihren Healthy Eating Workshops auf äußerst positive Resonanz gestoßen.
6. Instagramisierbare Kulissen
Ob Fotos mit Marken-Maskottchen, Vorab-Tests mit neuen Produkten oder Selfie-freundliche Fotokulissen: Verbraucher lieben Schnappschüsse. Bei der Durchführung von IRL-Events haben "Shareworthy Experiences/Environments" heute für 45 Prozent der Brand Marketer in den USA hohe Priorität. Wenn es um den effektiven Einsatz analoger Marketing Tools geht, dann gilt die Devise: „Pics or it didn’t happen!"
Ausblick
Die Grenzen zwischen Analog und Digital verschwimmen in allen Lebensbereichen immer mehr. Darüber sollten Marketer sich im Klaren sein. Gerade vor dem Hintergrund der DSGVO gilt: Wer alte mit neuen Marketingkonzepten verknüpft, kann sichergehen, das Beste aus beiden Welten zu bekommen. Der einfachste Weg dorthin führt über entsprechende Omnichannel-Marketing-Plattformen.
Sebastian Mengewein ist Head of Sales DACH & Eastern Europe bei Selligent. Er hat sich auf digitales Marketing, Marketing Automation, Customer Journey und die Personalization im Marketing spezialisiert.