Bernd Krämer:
Die 5 häufigsten Missverständnisse beim Content Marketing
Anders als das übliche Bullshit-Bingo ist Content Marketing unaufregend vernünftig. Man kann es einfach begreifen und logisch durchdenken. Zum Beispiel anhand der fünf häufigsten Missverständnisse. Eine lehrreiche Liste des Schreckens.
Bernd Krämer, Geschäftsführer von Cream Colored Ponies, plädiert für mehr Gelassenheit in der Content-Marketing-Diskussion. Der Hamburger Agenturchef hält Content Marketing für "unaufregend vernünftig" - einfach zu begreifen und logisch durchdacht. Zum Beispiel anhand der fünf häufigsten Missverständnisse.
Missverständnis 1: "Content Marketing ist eine Mode"
Marken werden nur dann in Suchmaschinen gefunden, wenn sie Inhalte bieten, die die Zielgruppe braucht. Sie werden nur dann in Social Media geteilt, wenn die Zielgruppe diese Inhalte liebt. Und ihre Newsletter, Facebook-Pages oder Youtube-Channels werden nur dann abonniert, wenn die Zielgruppe sich einen Nutzen verspricht.
Wir sind zwar weit davon weg, dass Marken dieses Potenzial voll ausschöpfen. Aber ohne Content Marketing gäbe es das alles nicht. Selbst Paid Media benötigen heute Content-Marketing-Denke. Wer langweilt, zahlt z.B. bei Google und Facebook höhere Preise. Bedeutet: Content Marketing und Online Marketing sind deckungsgleich. Könnte das eine Mode sein, die vorüber geht? Sicher nicht.
Missverständnis 2: "Content Marketing verkauft nicht"
Energy Drink-Marken werfen Extremsportler mit dem Fallschirm über Vulkanschloten ab (Red Bull), Shampoo-Marken berichten von den Oscars und über Frisurentrends (Schwarzkopf) und Kreditkarten-Anbieter versorgen Unternehmer mit Business-News (American Express). In den prominentesten Content-Marketing-Cases spielt das Produkt nur eine Nebenrolle. Vielleicht ist dieser Bruch mit der gewohnten, alten Produkt-im-Mittelpunkt-Regel der Auslöser für o.g. Missverständnis.
Selbst wenn es in diesen Beispielen nicht direkt ums Produkt geht, ziehen die Unternehmen einen direkten Nutzen daraus: Sie erzeugen eigene Reichweite. Damit sparen sie das Budget ein, dass sie sonst als Werbeflächen-Miete an Publisher überweisen würden. Zudem können sie dieses selbst erschaffene "Mono-Marken-Mediaumfeld" perfekt fürs Verkaufen oder andere Marketing-Ziele nutzen.
Content Marketing baut aber nicht nur das perfekte eigene Media-Umfeld auf. Es verkauft auch direkt. Zwei der verkaufsnahesten Marketing-Disziplinen beruhen auf Content: Suchmaschinen-Optimierung und Conversion-Optimierung. Die Produktseite eines Online-Shops wird nur dann von kaufwilligen Menschen über Suchmaschinen gefunden, wenn sie den richtigen Inhalt hat. Und die Produktseite erzeugt nur dann Verkäufe, wenn sie alle Inhalte bietet, die der Interessent zum Abschluss braucht.
Missverständnis 3: "Als Marke keine Chance"
Marken zum Medium machen – das ist in der alten Medienwelt schwierig. Wer ein neues Magazin auf den Markt bringen will, kämpft um die Regalfläche am Kiosk. Wer einen neuen Fernsehsender launchen will, kämpft auf einem gesättigten Markt. Wer aber 2016 im Internet Content Marketing-Reichweite aufbauen will, hat es dagegen leicht.
Traditionelle Medien schwächeln im Internet. Sie tun sich schwer damit, sich mit den neuen Reichweiten-Gatekeepern wie Google und Facebook anzufreunden, sehen in ihnen eine Bedrohung. Und auch Werbetreibende tun sich nicht leicht, Inhalte jenseits des Produktkatalogs zu veröffentlichen. Die Konkurrenz ist also schwach.
Zeitgleich steigt die Content-Nachfrage. Marken, die es schaffen, auf die Millionen individueller Google-Suchanfragen relevant zu antworten oder die es hinbekommen, die Menschen in Social Media zu begeistern, haben leichtes Spiel, ihre eigene Millionenreichweite aufzubauen.
Missverständnis 4: "Alter Wein in neuen Schläuchen"
Zur Hälfte stimmt das. Der Grundansatz von Content Marketing ist nämlich nicht neu: Es geht darum, eine Win-Win-Situation aus Unternehmensziel und Zielgruppeninteresse herzustellen. Eine kleine Minderheit exzellenter Werbe- und PR-Cases funktioniert bereits schon immer so. Vermutlich wirkt Content Marketing deshalb für viele wie ziemlich kalter Kaffee.
Die andere Hälfte von Content Marketing allerdings ist neu, kompliziert und unterschätzt. Marken und Agenturen brauchen deshalb neue Skills und Prozesse., um erfolgreich zu sein. Bereits die Analyse des Content-Bedürfnisses der Zielgruppe überfordert, denn sie ist komplex und braucht tiefgehendes Suchmaschinen- und Social Media-Know-how.
Auch die Distribution der Inhalte ist anspruchsvoll – es sei denn, man hat genug Budget, um sich Reichweite zu kaufen. Denn zwischen Marke und Zielgruppen stehen mächtige Gate-Keeper: die Algorithmen von z. B. Facebook oder Google. Nur wer das inhaltliche und technische Know-how hat, diese sich ständig weiterentwickelnden Algorithmen richtig zu bedienen, erreicht seine Zielgruppe.
Zu guter Letzt müssen alle Beteiligten – vom Kreativen über den Journalisten bis zum SEO-Spezialisten – lernen, zusammenzuarbeiten und sich zu mögen. Dabei kann ein alter Wein natürlich helfen.
Missverständnis 5: "Das ist eine Marketing-Disziplin wie jede andere auch"
Häufig wird versucht, Content Marketing von Werbung, PR oder anderen Kanälen abzugrenzen. In der Praxis bringt das wenig. Wenn man z.B. Content Marketing genau von Werbung differenzieren will, macht man komische Dinge. Beispielsweise weist man der Disziplin irrelevante Aufgaben zu. Oder man vernachlässigt, dass etwas die Internetbestandteile einer integrierten Werbekampagne besser funktionieren, wenn sie interessante Inhalte bieten. Tatsächlich stiftet Content Marketing viel mehr Nutzen, wenn man es nicht als Konkurrenz sieht, sondern als Chance begreift, die Performance vorhandener Kanäle zu verbessern.
Fazit
Unterm Strich ist Content Marketing für mich ein Regulativ, dass uns in einer bequemen, mediaverwöhnten Werbewelt daran erinnert, uns wieder mehr mit der Zielgruppe zu beschäftigen – den Menschen und ihren Interessen. Wenn wir die Menschen besser verstehen, besser bedienen und Gespräche mit ihnen aufbauen, statt mit präzise angespitzten Werbebotschaften auf Sinusmilieus zu ballern, wird Kommunikation effizienter und effektiver – egal, ob man sie Werbung, PR, Content Marketing oder sonstwie nennt. Und das Beste: Diese nützlichere, beliebtere Kommunikation macht allen Beteiligten mehr Spaß.
Der Autor: Bernd Krämer war Kreativ-Geschäftsführer von Jung von Matt/Alster, ehe er 2010 die Agentur Cream Colored Ponies gründete. Zu seinen Kunden gehören Bertelsmann, Entega, Red Bull und Tesa.