
Kommentar:
Die Grünen als Markenpartei: Was die SPD von der Bayern-Kampagne lernen kann
Inhaltlich sind Grüne und FDP noch weit auseinander. Aber ihre Marketingkommunikation ist zum Verwechseln ähnlich - und aus gutem Grund erfolgreich.

Foto: Grüne Bayern
Nach einfachen Social-Media-Mäßstäben müsste es der SPD in Bayern richtig gut gehen. Sie hat rund 18.500 Fans auf Facebook und damit mehr doppelt so viele wie die Grünen. Die Freien Wähler kommen noch nicht einmal auf ein Viertel davon.
Auf Twitter folgen dem SPD-Landesverband etwa 11.300 Menschen und Organisationen; rund 600 mehr als den Grünen. Nur auf Instagram läuft es schlechter. Allerdings sind die absoluten Zahlen hier auch deutlich geringer: Etwa 1500 haben die SPD abonniert, 3400 die Grünen.
Mit Natascha Kohnen verfügte die SPD bei den Landtagswahlen am 14. Oktober über eine Spitzenkandidatin mit hohen YouTube-Qualitäten. Es gibt nicht viele Politikerinnen, die Landtagsdebatten so rocken können wie Kohnen. Ihre energische Rede zur Flüchtlingskrise ist legendär und wurde 2016 von "SZ" und Huffington Post mit Recht gefeiert. Was für ein starker Auftritt. Was für ein Wahlkampf-Potenzial.
Das Ende ist bekannt. Die SPD stürzte auf 9,7 Prozent ab. Die Partei, die in den 50er Jahren noch den bayerischen Ministerpräsidenten gestellt hatte, ist im Freistaat nur noch die Nr. 5 oder besser: die zweitschwächste im Landtag. Die Grünen feierten mit 17,5 Prozent ihren bisher größten Triumph.
Es gibt viele Gründe für das historische Debakel der Bayern-SPD. Kommunikation und Kampagne sind vielleicht nicht die wichtigsten, aber ganz sicher die ärgerlichsten. Denn diese Fehler waren unnötig.
Im Vergleich zu den Grünen hat die SPD auf dem Niveau eines VHS-Kurses kommuniziert; angefangen vom kakophonischen Corporate Design und amateurhaft gestalteten Plakaten einzelner Kandidaten bis hin zum defensiven Auftritt der Spitzenkandidatin selbst. "Zuhause", "Anstand" oder "Haltung" stand auf Kohnens Plakaten. Alles wichtige Dinge, und trotzdem Ausdruck von Reaktion und Abwehr, nicht von Mut und Gestaltungswillen. Bei allen drei Begriffen schwingt das Negative mit, vor dem sich die alte SPD zu fürchten scheint: Vor der Welt da draußen, vor Bosheit, vor Unmoral.
"Haltung" ist keine Botschaft
Vielleicht hat sich die SPD-Agentur Elephantlogic für "Haltung" entschieden, weil das Wort gerade so in Mode ist. Es war jedenfalls keine gute Idee. Im Begriff "Haltung" schwingen zwei Attitüden mit, die sich demokratische Parteien besser verkneifen: Moralische Überlegenheit und Märtyrertum. Das erste ist arrogant, das zweite selbstgerecht. Mit "Haltung" ist es wie mit den Euros in Hamburg-Blankenese: Man muss nicht darüber reden, man hat sie einfach (Hat man sie nicht, sollte man erst recht den Mund halten).
Ganz anders die Grünen. Sie haben mit ihrer Agentur David+Martin ("Kreativagentur für echte Lovebrands") nach allen Regeln der Kunst eine professionelle Markenkampagne durchgezogen. Mit klarem Branding, optimistischer Botschaft und kreativen Standards über alle Kanäle hinweg. Selbst der schulbuchmäßige "Call to Action" war dabei: "Frag das Spitzenduo!" oder das Leitthema: "Du willst es? Dann wähl es."
Das alles ist noch nicht einmal neu. Die FDP und ihre Agentur Heimat haben gezeigt, wie man eine Partei als Marke inszeniert und warum es mehr um nachhaltiges Branding als um kurzfristige Wahl-Reklame geht. Auch hier mit durchschlagendem Erfolg.
An dieser Stelle kommt gern der Einwand, dass eine Partei kein Markenprodukt sei.
Doch, sie ist eins. Sie muss sogar eins sein. Nicht im Sinne von Kommerz und Supermarkt, sondern in dem, was ein Markenprodukt eigentlich ausmacht: Einzigartigkeit, Echtheit, Verlässlichkeit. Für eine Partei sind das nicht die schlechtesten Eigenschaften. Der SPD könnten sie sogar das Leben retten.