
Systemgastronomie:
Die Marke Vapiano: Italo-Gastronomie von der Stange
Tausend Gäste essen täglich bei Vapiano - pro Filiale. Mit zehn bis zwölf Euro pro Kunde kalkuliert das Unternehmen. Was steckt hinter der Italo-Gastronomie von der Stange? Markenschau-Blogger Christian Gehl fragte CEO Gregor Gerlach - und wagte den Selbstversuch.
Freitagabend, München-Pasing, mildes Novemberwetter. Weder Niesel noch Nebel drückt die Laune, es ist viel los auf den Straßen, einige Menschen sitzen draußen unter den Heizstrahlern eines Cafés am Bahnhof. Um die Ecke lockt das rote Logo einer Vapiano-Filiale, der große Außenbereich ist leer, nicht einmal Raucher sind zu sehen.
Tote Hose bei der Boom-Kette? Es ist 21 Uhr. Noch zehn Meter, dann stehen wir vor dem riesigen Schaufenster – drin ein wahres Menschengetümmel. Am Empfang erhalten wir Chipkarten, auf denen die Bestellungen abgespeichert werden, und werden in die Abholbereiche eingewiesen: Bar&Dessert, Pasta&Pizza, Antipasti&Salate, macht drei Mal anstehen. Wir teilen uns das Schlangestehen auf. Schnell geht es nicht gerade, aber der Andrang ist auch wirklich riesig. Alles wird frisch vor unseren Augen zubereitet.
Ein paar Mitarbeiter mehr hinter der Theke hätten allerdings auch nicht geschadet, eine einzige Frau bereitet Salate zu, zwei Vapianisti bedienen an der Bar. Es geht zu wie in einem Bienenkorb. Nach einer halben Stunde haben wir alles beisammen: 2x Getränke, 2x Pasta, 2x Bruschetta. Die langen Holztische sind bis zum letzten Platz besetzt, ein Tisch im Lounge-Bereich ist aber noch frei. Nebenan ziehen verliebte Teenager an den Strohhalmen ihrer Cocktails. Die Stimmung im Lokal ist entspannt und ausgelassen, unsere jetzt auch.
130 Vapianos gibt es weltweit, in 26 Ländern, das Konzept ist überall das gleiche wie in München-Pasing: „Unser Erfolgsgeheimnis ist Frische – Frische in den Zutaten, Frische in der Zubereitung und Frische im Denken“, sagt Gregor Gerlach, Vorstand und Gründer der Restaurantkette. „Und Frische braucht ihre Zeit, denn jedes Gericht wird individuell vor und für den Gast zubereitet. Dieses interaktive Front-Cooking-Konzept lässt zu, dass der Gast direkt beim Kochen seine Vorlieben und Wünsche äußern kann. So kochen wir persönliche Lieblingsgerichte.“ Zehn Minuten veranschlagt er pro Gericht, in Stoßzeiten auch mal mehr: „Dennoch sind 30 Minuten Wartezeit definitiv eine Ausnahme.“ Ist schon okay, bei uns hatte sich die halbe Stunde ja brutto angesammelt, mit Hin- und Hergehen zwischen den Ausgabestationen und unserem Tisch, Rückgabe der Tabletts, das läppert sich.
Schlimmer wäre es gewesen, hätte uns das Essen nicht geschmeckt, aber das hat es. Auch der Wein war gut, das Dessert sogar exzellent. Bei inzwischen fast 60 Restaurants allein in Deutschland und täglich tausend Gästen pro Filiale kann aber wahrscheinlich gar nicht immer alles glatt laufen. Unzufriedene Gäste haben bei Facebook eine ideale Anlaufstation und sie nutzen sie rege. Wie geht Vapiano mit der Kritik um? „Erst einmal können wir feststellen, dass der bei weitem größte Teil der Posts positiv ist“, relativiert Gerlach erst ein bisschen und erklärt dann: „Jedes Vapiano hat eine eigene Fanpage, die von einem Mitarbeiter direkt aus dem jeweiligen Vapiano betreut wird. Dieser erhält Unterstützung von unserem Social Media Team aus dem Support Center in Bonn. Wir haben den Anspruch, jeden Post persönlich und individuell zu beantworten.“ Neben Facebook ist Vapiano auch auf auch Foursquare, Twitter, Pinterest, Google+ und Instagram präsent. „Wir nehmen Social Media sehr ernst“, sagt Gerlach.
1,5 bis zwei Millionen Euro kostet eine Neueröffnung. In Pasing sieht man auf den ersten Blick, dass hier nicht gekleckert wurde: hohe Decke, durchdesignte Inneneinrichtung, Tische aus Eichenholz, gemütlich wirkende Details wie Tischlampen und Kräutertöpfe, ein Olivenbaum mitten im Lokal, große, dekorative Leuchten an den Wänden, dazu läuft dezente elektronische Musik. 65 Mitarbeiter beschäftigt eine Filiale im Schnitt. Viele davon werden angelernt, standardisierte Kochabläufe machen das möglich. Verwendet werden dafür „die feinsten Zutaten“, sagt Gerlach: Eier aus kontrollierter Aufzucht, Schokolade mit einem Kakao-Anteil von fast 60 Prozent, Gemüse von regionalen Lieferanten. „Die Produkte werden regelmäßig kontrolliert und durch ein unabhängiges Institut überprüft“, versichert der Vapiano-Gründer.
Ein großer Aufwand, logistisch wie finanziell. Bei durchschnittlichen Ausgaben der Gäste von zehn bis zwölf Euro ist Vapiano auf Laufkundschaft angewiesen: „Wir brauchen lebendige Standorte in Zentren von Städten ab 100.000 Einwohnern“, sagt Gerlach. „Das kann zum Beispiel das Einzugsgebiet einer Einkaufsstraße oder vieler Büros sein. Wir bevorzugen Ecklagen oder gute Lauflagen. Um unseren Gästen den gewohnten Komfort und das bekannte Ambiente zu bieten, sollte ein Vapiano inklusive Nebenflächen zwischen 600 und 1.000 Quadratmeter groß sein und über einen Außenbereich verfügen.“
Klassische Werbung macht Vapiano nicht, Gerlach setzt auf Mundpropaganda und deren Wirkung in sozialen Medien: „Unser stärkstes Tool ist das Erlebnis vor Ort im Vapiano. Wenn wir unsere Gäste hier glücklich machen, dann sind sie die besten Vapiano Botschafter.“ Neueröffnungen werden über eigene Facebook-Seiten schon weit im Voraus angekündigt.
Fast Casual – eine von Vapiano entdeckte Nische zwischen Fast Food und klassischem Restaurant mit Bedienung – hat die höchsten Zuwachsraten der Gastronomie, in Deutschland wie international. Noch ist Gerlachs Italo-Kette Marktführer hierzulande, aber ein halbes Dutzend Konkurrenten drängt bereits nach: Yaz mit orientalischer Küche, Wiedekings Tialini, die Nobel-Burgerbude Hans im Glück, die internationale Küche von Dean & David, die Nudelbar Mosch Mosch oder die Asia-Kette Coa.
Mit einem leicht veränderten Innendesign und neuen Gerichten ab März hält Gerlach dagegen. Im nächsten Herbst wird in Nürnberg der erste Freestander eröffnen, ein eigens für Vapiano errichtetes Gebäude mit vielen Parkplätzen davor. Läuft es dort wie in München-Pasing, muss Gerlach sich um die Zukunft keine Sorgen machen. Dank Desserts und zwei Capuccinos blieben wir schließlich fast drei Stunden und zahlten 41 Euro.