
Jung von Matt:
Die Marke Zalando: Wenn der Postmann zweimal klingelt
Mit Hilfe von Jung von Matt und viel Geld der Samwer-Brüder hat sich Zalando zum Umsatzmilliardär entwickelt. Nur Gewinne erwirtschaftet Zalando nicht. Noch nicht. Markenschau-Bloggerin Christa Catharina Müller über die vielleicht stärkste Startup-Marke Europas.
Wenn Frauen schreien und Männer grunzen, muss das wohl am Postboten liegen, der ein Paket von Zalando ausliefert. Genauso wie Kühe lila sind. Und Schimpansen Poloshirts bevorzugen. In allen drei Fällen ist und bleibt das skurrile Leitmotiv der TV-Spots der Schlüssel zum Erfolg. Zalando kann sich über mangelnde Umsätze jedenfalls nicht beklagen: Mit Hilfe der Werbebotschaft „Schrei vor Glück“ und kräftigen Investitionsspritzen der drei Samwer-Brüder hat sich das Berliner Startup in nur fünf Jahren zum milliardenschweren Textil-Versender entwickelt.
Am Anfang stand die Idee der beiden Studenten Robert Gentz und David Schneider, ins E-Commerce einzusteigen. Im Oktober 2008 war es so weit: Zalando.de ging live. Doch erst mit dem Kapital von Rocket Internet, dem Inkubator der deutschen Unternehmer Marc, Oliver und Alexander Samwer, wurde Zalando nach dem Vorbild des US-amerikanischen Online-Schuhversands Zappos geformt. Im Gegensatz zum Original umfasste das Sortiment neben Sneakers, Stiefeln und Sandalen bald schon auch Mode und Beauty von Lifestyle- und Premium-Marken. Neben High-Street-Labels und Designermarken bietet Zalando inzwischen sogar eigens für den Modeversand entworfene Kollektionen, zum Beispiel des Berliner Labels Kaviar Gauche.
Bekannt geworden ist der Online-Shop durch zahlreiche TV-Spots der Hamburger Agentur Jung von Matt. Wer kennt ihn nicht, den leicht irritierten Postboten, der sich ständig, scheinbar zufällig mit schreienden Frauen konfrontiert sieht? Kein Schauplatz ist den Machern der Clips heilig: Sie schicken ihn in ein Nudisten-Camp, in eine Gameshow oder eine Kommune. Er vereitelt einen Banküberfall und verdreht einem Exorzisten den Kopf. Selbst vor dem Weihnachtsmann macht er nicht halt. Ein Diensteinsatz mit Folgen: Die Supermarktkette Kaiser's Tengelmann, ein Anteilseigner von Zalando, produziert basierend auf dem Spot „Schnee von gestern“ eine Schokovariante des Postboten für den Einzelhandel.
Auch sonst stehen die Zeichen auf Expansion: Aktuell verschickt Zalando seine Ware in 15 europäische Länder. In einigen Märkten versucht das Unternehmen registrierte Nutzer außerdem mit dem Online-Club Zalando Lounge an sich zu binden, der mit satten Rabatten auf ständig wechselnde Kollektionen wirbt. Das dritte Verkaufsstandbein bilden Outlets. Nach Berlin eröffnet im Sommer 2014 in Frankfurt ein zweiter Standort. „Unser Kerngeschäft bleibt zwar der Online-Shop“, sagte Unternehmenssprecherin Carolin Kühnel im Januar 2014 auf Anfrage der "Frankfurter Neue Presse". „Aber gerade bei Rabattaktionen bleiben dort oft kleinere Restbestände übrig, die wir im Internet nicht mehr verkaufen können. Diese Artikel und solche aus Rücksendungen mit kleineren Fehlern gibt es dann günstiger im Laden.“
Hauptsächlich lockt Zalando seine Kunden jedoch dort, wo sie sich ohnehin bewegen. Nicht nur auf Facebook und Twitter inszeniert sich das Unternehmen mit Videos, Bildern und Blogs: Auf Youtube lädt der Online-Händler seine User ein, sich von den TV-Spots verzaubern, pardon, „zalandonisieren“ zu lassen. Auf Pinterest integriert Zalando seine Produkte subtil in thematische Boards wie Leo, Black Leather oder Spring. Ein eigener Modeblog und zahlreiche Kooperationen mit Bloggern runden das digitale Portfolio ab. Ein kluger Schachzug, schließlich liegt die Zahl der Zugriffe via Smartphone in Deutschland und der Schweiz bei knapp einem Viertel.
Der Trend geht Richtung Online-Shopping: Laut einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) konnte der gesamte Modehandel seinen Online-Umsatz im Jahr 2012 auf 23 Prozent erhöhen. Ganz vorne mit dabei ist auch Zalando. Das Unternehmen belegt laut Marktforscher Research Tools Platz eins der Online-Shops für Bekleidung mit immerhin 66 von möglichen 100 Punkten. Doch bei einer Retourenquote von 50 Prozent – wie sie im Modehandel keine Seltenheit darstellt – und kostenlosem Versand klafft bei Zalando bislang trotzdem ein dickes Minus. 2012 beliefen sich die Verluste auf 90 Millionen Euro. Maßnahmen zur Senkung der Rücksendeflut wie Verwarnungen per E-Mail und die Androhung, zukünftig ausschließlich per Vorkasse bestellen zu können, kommen bei den Kunden nicht gut an. Allerdings: In der Kernregion DACH erreichte Zalando im selben Zeitraum ein ausgeglichenes Ergebnis. Und das soll erst der Anfang sein.
Die nächste Finanzspritze könnte von einer Großbank kommen. Sowohl Goldman Sachs als auch JP Morgan und Morgan Stanley sollen interessiert sein. Momentan hält die schwedische Investmentfirma Kinnevik mit insgesamt 38 Prozent den größten Anteil. 29,3 Prozent der Anteile kontrolliert Schwedens bekannteste Investorin Cristina Stenbeck direkt, weitere 8,7 Prozent indirekt über Rocket Internet. Darüber hinaus sind unter anderen Holtzbrinck Ventures, Tengelmann sowie die Samwer-Brüder an Zalando beteiligt.
Ganz skandalfrei ist das Unternehmen trotz seiner jungen Geschichte nicht. Ein Bericht im "Spiegel" und die ZDF-Dokumentation „Gnadenlos billig“ erhoben im Sommer 2012 schwere Vorwürfe wegen der Arbeitsbedingungen in einem Logistikzentrum. Dort sei es beispielsweise verboten, im Sitzen zu arbeiten. Zusätzlicher Druck würde aufgebaut, indem man das Arbeitstempo der Mitarbeiter protokolliere. Die Reaktion auf Facebook ließ nicht lange auf sich warten: Es hagelte Beleidigungen, Beschwerden und Boykottaufrufe.