Das Ergebnis der Neuausrichtung: Früher setzte Erco mit seinem eher kühl und sachlich wirkenden Markenauftritt auf die Designschule von Otl Aicher. Heute ist die gesamte Kommunikation sehr viel emotionaler. 2014 beispielsweise porträtierte Erco in kurzen Markenfilmen unterschiedliche Menschen aus der Lichtwelt. Anfang 2015 startete der Leuchtenhersteller eine Markenkampagne, die ausschließlich in den digitalen Medien lief und setzt damit in der Markenführung auf gänzlich andere Mittel und Wege als früher.

Bei Viessmann hingegen hat der technologische und digitale Wandel ganz andere Auswirkungen auf die Marke. Jahrelang hat das Unternehmen seine Produkte, wie zum Beispiel die Heizkessel, so attraktiv gestaltet, dass man sie sich als Designobjekt am liebsten ins Wohn- oder Badezimmer stellen möchte. Mittlerweile hat sich der Focus auf das Steuergerät verlagert, dass künftig von einem Smartphone oder einem Tablet als universelles Bedienelement ersetzt werden könnte, mit dem sich die gesamte Haustechnik regeln lässt.

Spätestens an dieser Stelle stellt sich dann die Frage, die all diese Unternehmen umtreibt: Wo ist meine Marke, mein Produkt für den Verbraucher künftig physisch überhaupt noch sichtbar. Wer ist die Marke auf dem Display, ist das die Telekom, RWE, Samsung, Google, Amazon oder eben doch Viessmann? 

Der Algorithmus braucht keine Marke

Ein weiteres kritisches Thema für die Markenführung sind neue Vertriebswege und Absatzmittler. Mit großer Aufmerksamkeit werden beispielsweise in der gesamten Sanitär- und Heizungsbranche die Aktivitäten des Startups Thermondo verfolgt.  An den Endverbraucher gerichtet verspricht das Unternehmen auf seiner Webseite „in 5 Minuten zum Angebot“ für eine neue Heizung, Festpreisangebot statt Kostenvoranschlag und bis zu 2.000 Euro günstiger zu sein als vergleichbare Angebote. Das bedeutet, ähnlich wie bei Vergleichsportalen gibt der Kunde seine Anforderungen in einem Online-Formular ein und bekommt basierend auf einem Algorithmus aus rund einer Million Lösungen das passende Angebot. BuderusBosch, Vaillant, Viessmann, Junkers oder Wolf, welche Marke den Kunden für ihre neue Heizungsanlage vorgeschlagen wird, entscheidet der Algorithmus von Thermondo. Auch hier rückt die Marke an einer wichtigen Stelle innerhalb des Kaufentscheidungsprozesses in den Hintergrund.

Nicht alle Unternehmen werden einen so tiefgreifenden Wandel durchlaufen wie Erco. Auf die Markenführung hat und wird die Digitalisierung jedoch in einem Großteil der Firmen weitreichende Auswirkungen haben. 

Was bleibt, was ändert sich? Fokussierung, klare Differenzierung vom Wettbewerb, das Einbinden der Mitarbeiter, die Marke ganzheitlich verstehen und implementieren, sind und bleiben die wichtigsten Erfolgsfaktoren starker Marken; auch in einer zunehmend digitalen Welt. 
Auf der Umsetzungsebene hingegen sind die Veränderungen unverkennbar, wie auch der Deutsche Markenmonitor des Rat für Formgebung und der GMK Markenberatung zeigt. Während der Großteil der Entscheider bei der Frage nach der zukünftigen Bedeutung einzelner Instrumente der Markenführung davon ausgeht, dass digitale Markenführung (71 Prozent) und markenkonformes Verhalten der Mitarbeiter (69 Prozent) künftig noch wichtiger werden, geht knapp die Hälfte der Befragten Markenexperten davon aus, dass die Bedeutung klassischer Werbeformen wie Print- oder TV-Werbung (48 bzw. 38 Prozent) in Zukunft weiter abnehmen wird. 

Lange Zeit war Markenführung ziemlich planbar

Der Bedeutungszuwachs der digitalen Markenführung, verlangt allerdings ein starkes Umdenken in der operativen Umsetzung der Markenkommunikation. Lange Zeit war Markenführung ziemlich planbar. Werbeträger, Formate, Zielgruppen und Nutzerverhalten hatten sich über die letzten Jahrzehnte hinweg kaum verändert. Mit der Digitalisierung erleben Unternehmen nun allerdings ein sich stark veränderndes Nutzungsverhalten ihrer Kunden, eine Zunahme der Interaktion und einen enormen Anstieg der digitalen Kanäle und Kontaktpunkte. Um als innovativ zu gelten, verleitet gerade Letzteres viele Unternehmen dazu, meist mehr schlecht als recht, beispielsweise auf möglichst jedem Social Media-Kanal präsent zu sein. 

Doch welche Kundenkontaktpunkte tatsächlich erfolgsrelevant sind, hängt stark von Branche, Produkt, Zielsetzung und der Zielgruppe ab. Um ein konsistentes Markenerlebnis, sowohl in der digitalen, als auch in der realen Welt, sicherzustellen und dabei die vorhandenen Ressourcen und Budgets optimal einsetzen zu können, sollten die Kundenkontaktpunkte regelmäßig auf ihre Erfolgsrelevanz überprüft werden. Unilever Deutschland hat seine Aktivitäten bei Twitter beispielsweise wieder eingestellt. Apple hat bis heute keine offizielle Facebookseite. Viel wichtiger ist es also, dass die Kontaktpunkte und ihre Ausgestaltung zur eigenen Marke passen und die richtigen Inhalte für jeden einzelnen Kanäle produziert werden.

Fazit: Markenführung wird durch die Digitalisierung schneller, transparenter, komplexer und durch die Eigendynamik sozialer Netzwerke weniger plan- und steuerbar. Markenverantwortliche werden daher mehr Digitalwissen aber auch mehr Freiräume benötigen, um Neues ausprobieren und schneller auf Trends reagieren zu können. Unternehmen sollten die Digitalisierung zudem insbesondere als Chance zur Verbesserung und Vereinfachung des interaktiven Kundendialogs begreifen. Adidas zum Beispiel hat kürzlich die Vertragsunterzeichnung des Fußballers James Rodriguez per Live-Streaming über Periscope direkt ins Netz übertragen.