Vor ein paar Tagen stolperte ich über eine Marktforschungsumfrage, die bei Ostdeutschen eine Vorliebe für Margarine und Gurkenkonserven feststellte, während westdeutsche Befragte angeblich häufiger Teigwaren und Müsli in ihren Einkaufswagen legten. Das mag griffig sein, vielleicht amüsant – aber 2015 ist der Vergleich von Ost und West vor allem eines: platt.

Im Marketing sind wir schließlich längst in einem Zeitalter angekommen, in dem Zielgruppen immer spitzer definiert werden und potenzielle Kunden mit hochindividuellen Botschaften angesprochen werden. Wir erleben also einerseits, dass Performance-Prinzipien des Online-Ad-Targetings auf andere Medien übertragen werden – und andererseits bemühen wir ernsthaft Umfragen, die in nichts weiteres differenzieren, als in Ostdeutsche und Westdeutsche? Ich finde: Solche Untersuchungen sagen weit weniger über die vermeintlichen Zielgruppen aus, als über ihre Auftraggeber.

Die Wahrheit ist: Die Ost-West-Trennung ist Vergangenheit. Natürlich gibt es auch heute Produkte, die in Sachsen besser ankommen, als im Rheinland – dies ist jedoch kein Ausdruck eines spezifischen Ost-West-Geschmacks, sondern vor allem eine regionale Ausprägung, die in vergleichbarer Form auch in anderen Teilen der Bundesrepublik besteht: Oder was meinen Sie, würde wohl herauskommen, wenn Sie Norddeutsche und Bayern zu Tee und Bier befragen würden? Diese Statistik erhebt aber keiner, weil für sie der plakative Aufhänger fehlt.

Ähnlich nüchtern sehe ich auch die Diskussion über sogenannte Ostmarken: Marken, die im Wettbewerb bestehen wollen, benötigen ein Merkmal, das sie aus Sicht ihrer Zielgruppe attraktiv und unterscheidbar macht. Das Klammern an den Bonus der "Ostalgie" ist oft nur ein Hilfskonstrukt, eine Ersatzpositionierung, wenn die Zielgruppe nicht verstanden wurde. Wie anfangs gesagt, gibt es jedoch längst eine junge Generation, die mit dem plakativen Verweis auf die DDR nichts mehr anfangen kann.

Jede Marke, die weiterhin versucht, diesen Kult zu bedienen, sollte daher schnellstmöglich umdenken, sich auf die eigentlichen Stärken ihrer Produkte konzentrieren und ihre Zielgruppen präzise definieren. Alles andere widerspricht Gott sei Dank der gesamtdeutschen Realität im Jahr 2015. Freuen wir uns gemeinsam über fünfundzwanzig Jahre deutsche Einheit!

Der Autor:

Lukas Cottrell ist General Manager der Peter Schmidt Group und leitet deren Frankfurter Standort. Die Branding- und Designagentur gehört zu BBDO.


Autor: Lukas Cottrell

W&V-Gastautor Lukas Cottrell ist Managing Director der Branding- und Designagentur Peter Schmidt Group. Er ist diplomierter Volkswirt und arbeitete vor seinem Wechsel zur BBDO-Tochter bei Landor Associates und Future Brand. Cottrell ist Experte für Markenstrategie und digitale Transformation.