
Kolumne:
Die neue Supergraphic von Bosch ist vor allem eines: Superteuer
Wenn sich ein Traditionsunternehmen wie Robert Bosch ein neues Design zulegt, muss es den Spagat zwischen schwäbischer Ingenierskunst und digitaler Transformation meistern. Leider bleibt dabei das Logo auf der Strecke, findet W&V-Kolumnist Norbert Möller.
Das Traditionsunternehmen Robert Bosch hat sich einen neuen Markenauftritt zugelegt. Bosch? Da denkt man sofort an Schlagbohrmaschinen, Automobiltechnik und ehrliche, schwäbische Ingenieurskunst. Aber das, was seit Jahren unter dem Schlagwort "digitale Transformation" durch alle Branchen geistert, macht auch vor dem Traditionsunternehmen aus Gerlingen nicht Halt. Womit die Herausforderung für die Designentwicklung schon umrissen wäre: Die Historie muss erkennbar bleiben, gleichzeitig jedoch ein Signal in Richtung "Aufbruch" gesetzt werden. Man kennt das ja.
Gelöst wird dieser Spagat hier durch eine simple Addition: An Schriftzug, Bildzeichen und Claim hat sich nichts geändert, dafür kommt eine sogenannte Supergraphic hinzu. Diese muss, wie der Name schon andeutet, einiges können. Die geraden, sich überschneidenden und geschwungenen Linien sollen das Markenversprechen symbolisieren: Qualität, globale Partnerschaft, begeisternde Produkte und Verantwortung. Hinzu kommen die Farben – bis auf Gelb und Orange sind alle dabei. Und sich zusätzlich überschneidende farbige Textboxen stehen für die Verbindung von Mensch und Technik. Zusammen mit den vollflächigen Bildern ergibt sich – laut Pressemitteilung – so ein lebendiger und einzigartiger Auftritt.
Allerdings: Bei so viel Getöse um eine farbige Fläche fällt mir zuerst auf, was eben nicht kommuniziert wird. Und das ist kurioserweise das Logo. In der Pressemitteilung wird es zum Schluss schon gar nicht mehr als Markenbestandteil genannt, in der Anwendung wird es eher lieblos in eine Kiste gepackt und an den Rand gestellt. Ich finde es ehrlich gesagt schade, dass das neue Design keine Verbindung dazu herstellen kann, sondern aufgesetzt wirkt. Dieser Markenauftritt wird die Komplexität in der Umsetzung nicht verringern, sondern wesentlich erhöhen. Es gibt jetzt noch mehr Markenbestandteile und alles muss jetzt bunt werden. Bei der digitalen Transformation scheinen im Moment alle auf Google zu schielen. Aber es ist doch wohl wirklich kein Rezept, dass alle Unternehmen jetzt einfach bunt werden, nur weil das Leben bunt ist.
Ich habe auch nichts gegen tolle Grafiken, die identitätsstiftend sein können. Aber wir sollten uns schon fragen, was insgesamt wichtiger ist, die Supergraphic oder das Logo? Und wenn ich etwas Neues dazu erfinde, dann muss es sich einordnen und zusammen seine Wirkung entfalten.
Zumal: Wenn ich mir die ersten Umsetzungsbeispiele ansehe, dann bleibt von der Supergraphic nicht mehr viel übrig, dann wird sie zu einem schmalen Balken. Ich denke, in den meisten Anwendungen wird genau dieser schmale Balken zum Einsatz kommen und ich frage ich mich, welche Assoziationen der geneigte Betrachter damit hat: Es ist einfach ein bunter Balken. Ganz abgesehen davon hoffe ich für das Unternehmen, dass die Geschäftspapiere ohne die Supergraphic auskommen dürfen, sonst wird die Produktion für Bosch nämlich vor allem eines: superteuer.
Der Autor: Norbert Möller ist seit 2003 Executive Creative Director der Peter Schmidt Group und leitet deren Corporate Design Team am Standort Hamburg. Zu den von ihm betreuten Marken und Unternehmen zählen unter anderem Linde, Henkel, Kühne+Nagel, die Postbank, REWE, die Stadt Hamburg und das Goethe Institut. Möller studierte Visuelle Kommunikation an der HfBK Braunschweig und arbeitet seit 1992 bei der Peter Schmidt Group, darunter von 1999 bis 2003 als Geschäftsführer.