
Digital Signage: "Meist werden absolute Basics falsch gemacht"
Er ist der Mann, der Läden anzieht,quasi der Lagerfeld am PoS: Karl Schwitzke gilt als einer der renommiertesten Store-Designer hierzulande. Im Interview mit W&V Online spricht Schwitzke über Digital Signage, seine Chancen, Herausforderungen und Risiken. Das kann auch schon mal den kompletten Umbau der Firmenstruktur nach sich ziehen...
Digital Signage ist sexy. Wie sexy, zeigt beispielsweise eine Studie von Nielsen. Ergebnis: Digitale Out of Home-Medien steigern den Abverkauf am PoS deutlich und erhöhen die Markenwahrnehmung signifikant. Ob Lebensmittelwaagen mit Monitor, die zum gerade abgewogenen Käse den richtigen Wein empfehlen, oder Instore TV, das nachweislich wesentlich effektiver als Plakate auf Aktionsangebote verweist: Überall scheint sich der Einsatz von Digital Signage zu lohnen. Nicht nur im Lebensmittelhandel, auch etwa im hochpreisigen Bekleidungshandel werden neue Formen entwickelt. Bei Bogner beispielsweise können auf Bildschirmen nicht nur Filme und Produktinfos abgerufen werden, sondern man kann auch via Online-Shop Produkte bestellen. So wird der Store zum multimedialen Erlebnisraum, was aber auch neue Herausforderungen an Storedesigner stellt. W&V Online sprach mit Karl Schwitzke (Bild links) über die Herausforderungen, die Digital Signage stellt, die neuen Chancen, aber auch die Fehler, die man unbedingt vermeiden sollte. Schwitzke ist Geschäftsführender Gesellschafter des Düsseldorfer Designbüros Schwitzke & Partner und gilt als einer der bekanntesten Store-Architekten hierzulande - er ist fast so eine Art Lagerfeld am PoS. Zu seinen Kunden gehören unter vielen anderen Esprit, Adidas, Deutsche Bank, Lufthansa, Douglas, die Fanwelt von Werder Bremen, Conrad Electronic oder die vor kurzem eröffnete Shopping-Mall Pasing-Arkaden in München.
Welchen Einfluss hat Digital Signage auf das Store Design?
Karl Schwitzke Einen nicht unerheblichen. Es gibt dadurch einfach mehr Möglichkeiten eine Markenstory, wenn gut gemacht, glaubhaft zu vermitteln. Plötzlich kann und muss ein dynamisches Medium in die Store-Gestaltung integriert werden: Das schafft eine neue Ansprache und führt zum Dialog mit dem Kunden. Das komplette Store Design und die Logistik für Planer, aber auch für die Retailer wird vielfach komplexer. Beispielsweise muss aber mindestens mit dem Lichtlayout reagiert werden.
Was macht gutes Store Design in Zeichen von Digital Signage aus?
Karl Schwitzke Gutes Store Design definiert sich auch weiterhin über den Anspruch die Marke authentisch zu kommunizieren. Der Einsatz jeglicher Medien darf deshalb, wie oft beobachtet, keinesfalls technikgetrieben sein. Digital Signage darf nicht gegen das eigentliche Gestaltungskonzept arbeiten, sondern muss unterstützend wirken.Dabei geht es um den echten Mehrwert für den Kunden.
Ein guter Store ist eine gut erzählte Story. Wie erweitert sich das durch Digital Signage?
Karl Schwitzke Die Story wird plötzlich dynamisch. Neben den bisherigen statischen Kampagnen mit einer Botschaft, die sich nur in einer zeitlichen Abfolge über Wochen und mit viel Aufwand ändern ließen, kann jetzt sekündlich die Botschaft geändert werden. Nun findet ein Dialog statt, und es werden Reaktionen von Kunden abgefragt. Die große Herausforderung ist dabei, die Inhalte zu generieren, die die Marke voranbringen und eine Kundenbeziehung herstellen. Im Zweifel muss der Retailer bereit sein, die Vertriebswege (Multichannel) zu verschmelzen, d.h. seine Firma umzustrukturieren und die Logistik umzustellen. Die Digitalisierung ist eine große Herausforderung für alle im Retail Beteiligten.
Welche Fehler sollte man vermeiden?
Karl Schwitzke Die Fehler sind vielfältig. Meistens sind es aber absolute Basics, die falsch gemacht werden: z.B. die Technik einzuführen ohne über die Inhalte nachgedacht zu haben. Oftmals sind die Firmen überfordert, regelmäßig neue und relevante Inhalte zu generieren. Dabei darf man sich auf keinen Fall nur mit den reinen Anschaffungskosten auseinandersetzen und sollte direkt ein Budget für die „Inhaltsbeschaffung“ über die nächsten Jahre einplanen. Dabei ist die Halbwertszeit von Technik und Sehgewohnheiten ein nicht zu vernachlässigender Faktor. Am Ende muss ich mir aber einfach die Frage stellen, ob die Technik zur Markenstory und Zielgruppe passt.
Lenkt Digital Signage nicht vom Produkterlebnis ab?
Karl Schwitzke Selbstverständlich - wenn die Technik schlecht eingesetzt wird. Aber wenn es marken- und zielgruppenadäquat gemacht ist: Nein. Dabei muss auch hier das Verhältnis von Fern- und Nahwirkung stimmen: Dort, wo Aufmerksamkeit gefragt ist, kann es oft nicht schaden, mit Bewegbild und Inhaltswechsel zu arbeiten. Tritt man beispielweise näher an das Produkt heran, kann man die Digital Signage bewusst „entschleunigt“ nutzen und informiert vielleicht mehr als man emotionialisiert.
Das Interview mit Karl Schwitzke führte Thomas Seldeck.