
Digitale Transformation:
Digitalisierung: Von rationalen Zahlen und irrationalen Menschen
Die digitale Transformation stellt Management und HR vor große Herausforderungen. Ein Gespräch mit Simone Ashoff darüber, welche Werkzeuge digitaler Wandel braucht.

Foto: Simone Ashoff
Mit der Good School bietet Simone Ashoff seit 2009 Fortbildung für die digitale Transformation an. Marken wie L'Oréal, Vodafone, BMW oder Otto schicken Schüler zu ihr. Im Mai startet das neue Programm "Digital Transformation Club". Ein Gespräch über die Herausforderungen der Digitalisierung, rationale Zahlen und irrationale Menschen.
Frau Ashoff, an der Good School bieten Sie Fortbildungskurse zur Digitalisierung für Manager an. Wer kommt hauptsächlich zu Ihnen?
Unser Schwerpunkt liegt derzeit in Marketing, Kommunikation und HR. In diesen Bereichen kommt schon lange keiner mehr um die Digitalisierung herum. Mittlerweile sitzen bei uns aber auch Manager und Mitarbeiter aus Themenfeldern wie Supply Chain, Finance oder Controlling. Die Digitalisierung schwappt eben immer weiter in die Unternehmen hinein.
Das heißt, sie sehen an den Teilnehmern ein Aufbrechen der Silostruktur?
Absolut. Das Interessante: Zum einen scheitert die Digitalisierung an den alten, festgefahrenen Strukturen, gleichzeitig schafft sie aber auch den Kontext, unterschiedlichste Unternehmensbereiche miteinander ins Gespräch zu bringen und die Silos zu überwinden.
Gibt es typische Probleme, mit denen Manager und Marken zu Ihnen kommen?
Marketing hat heute Leitplanken, die nicht mehr gültig sind. Typischerweise denken Marketingmanager in Reichweite und bestimmten KPIs, die online so nicht mehr funktionieren. Damit kommen sie zu uns. Als erstes lernen sie dann, dass es ihre Leitplanken nicht mehr gibt, dann gehen wir mit ihnen auf die Suche nach neuen KPIs und Alternativen zu ihren bestehenden Denkmodellen.
Wie vorbereitet sind die deutschen Führungskräfte auf den Digitalen Wandel?
Bei unserer Arbeit mit Unternehmen, die digital transformieren wollen, haben wir immer wieder festgestellt, dass die Digitalisierung außer mit rationalen Zahlen und Technik ganz viel mit völlig irrationalen Menschen zu tun hat. Und dass diejenigen, die für diese irrationalen Menschen zuständig sind, also die Chefs, wiederum keine Ahnung vom Digitalen und wie der Mensch damit funktioniert haben. Der Grund, warum eine digitale Transformation scheitert, schleicht oder gar nicht erst startet, liegt immer beim Chef.
Was sollten sie tun, um Schritt zu halten?
Alle Führungskräfte – insbesondere Unternehmensführung und Aufsichtsrat – müssen sich persönlich ganz konkret und inhaltlich mit digitalen Themen auseinandersetzen. Hier gilt es, nichts mehr einfach so den vorhandenen digitalen Wirtschafts- und Wissensmächten zu überlassen. Stattdessen ein wesentlicher Mitspieler und Mitgestalter zu werden.
Was die digitale Transformation betrifft, muss eine Führungskraft steuerungsfähig sein, Ahnung von ihr und Spaß daran haben. In der alltäglichen Arbeit ist Netzwerkfähigkeit gefragt, Kooperationsfähigkeit. Mit anderen auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Akzeptieren, dass man nicht alles weiß, und dass das Wissen des anderen jederzeit das Wertvollere sein kann. Jede Menge Soft Skills eigentlich. Fundamental für eine erfolgreiche digitale Transformation ist nicht nur deswegen auch die Rolle von HR.
Das heißt?
Die Veränderung, die wir mit der Digitalisierung gerade erleben, wird vielleicht technisch ermöglicht, getrieben wird sie aber vor allem von Menschen. Und darum ist HR so wichtig: Es muss die Auswirkung der stattfindenden Disruptionen auf die Menschen, auf deren Arbeitsplätze, ihre Jobprofile, die Strukturen, Prozesse und die Kultur managen. Aber vor allem und zuallererst muss HR dafür sorgen, dass sich die Digitalisierung überhaupt in einem Unternehmen auswirken kann! Damit HR für den digitalen Wandel wirksam sein kann.
In der Realität vieler Unternehmen fungiert HR allerdings als Befehlsempfänger, nicht als strategischer Businesspartner. Für die wesentliche Rolle, die HR für den digitalen Wandel spielt, ist aber zum einen Augenhöhe die Voraussetzung. Zum anderen Qualifikation: strategisch-digitale Denke, kreatives und innovatives Handeln ist durch die angestammte Rolle der "verlängerten Werkbank" nicht eingeübt – für die neue Rolle jedoch Voraussetzung. Das ist knifflig!
6 Thesen zur Führung in Zeiten der Digitalisierung
1. Digitalisierung ist Chefsache.
2. Egal ob CEO, HR-Manager, Agenturkreativer oder Mutter: Jeder muss sich von seinem Scheinwissen verabschieden.
3. Digitale Kompetenz ist keine standardisierbare, sondern eine individuelle, je nach Job und Anspruch der Umgebung zu definierende Angelegenheit.
4. Digitale Kompetenz für einen CMO bedeutet, dass er die Digitalisierung und die Implikationen für sein Unternehmen verstanden hat, er strategische Ableitungen daraus zieht und diese umsetzt. Indem er zum Beispiel digitale Innovationen fördert und neue digitale Geschäftsmodelle und -bereiche aufbaut.
5. Digitale Kompetenz ist im Wesentlichen die Kompetenz zu wissen, was man nicht weiß. Und für all das, was man nicht weiß, mit den richtigen Leuten zu kooperieren.
6. Führung heute heißt: mit anderen auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Akzeptieren, dass das Wissen des anderen jederzeit das Wertvollere sein kann.