
Gastkommentar von Stefan Setzkorn:
Eine Content-Marketing-Predigt zum Kirchentag
Der Kirchentag ist ein guter Anlass, in sich zu gehen. Auch und gerade für Kommunikationsprofis, die für weltliche Marken arbeiten.

Foto: Honey
Spätestens, wenn sich alle zwei Jahre rund 100.000 Menschen irgendwo in Deutschland zum Kirchentag treffen, möchte ich alle Markensteuerräder und Brand-Keys, die ich jemals mit erarbeitet habe, geschlossen den Flammen übergeben. Denn immer wenn Kirchentag ist, muss ich zugeben: Wir stehen auf verlorenem Posten. Wir mühen uns selbst für die coolsten Brands damit ab, tagein tagaus USPs, Produkt- und Funktionsbeweise in emotionale Kommunikation zu verpacken.
Und dann ist da die Kirche, die seit 2000 Jahren zwei Produkte ausschließlich über Emotionen verkauft. Produkte, die kein Menschen anfassen kann, und die sich jedem rationalen Funktionsbeweis entziehen: Glaube und Hoffnung. Ihr größtes Produktversprechen wird auf ewig eine reine Behauptung bleiben.
Selbst die reichweitenstärksten christlichen Influencer der letzten 2.000 Jahre – von Martin Luther bis Helmut Schmidt – sind den Beweis schuldig geblieben, dass das mit der Erlösung nach dem Tode wirklich funktioniert. Ja, die Kirche hat eine 2.000-jährige Kommunikations-Erfolgsgeschichte geschrieben, die komplett ohne rationalen Benefit auskommt. Jetzt mal ehrlich: das ist doch unfair!
Natürlich können wir für fast jedes Produkt emotionale Kommunikation und schlaue Content-Strategien machen, ganz gleich ob Fußballschuh oder Leberwurst. Aber wenn das Produkt nicht hält, was wir versprechen, hat das alles keinen Sinn. Ganz anders die Kirche. Ihr Produkt muss nicht halten, was es verspricht. Mehr noch: Es ist überhaupt nicht existent. Trotzdem – oder vielmehr gerade deshalb – geht es seit Jahrtausenden weg wie warme Semmeln. Und sorgt ganz nebenbei für Content, der erfolgreicher nicht sein könnte. Keine Vodafone-Musik wird je mit einer Bachkantate mithalten können. Keine virale Story wird je nachhaltigeres Word of Mouth bekommen als die Weihnachtsgeschichte. Und kein Printobjekt außer der Bibel ist je in 1.334 Sprachen übersetzt worden. Nicht mal der Ikea-Katalog.
Man könnte also sagen: Der Kirchentag ist für Christen die Gelegenheit, sich fünf Tage lang mit rund 100.000 Markenbotschaftern und Influencern auszutauschen. Für alle kirchenfernen Marketingleute könnte er immerhin der Anlass sein, in sich zu gehen und darüber nachzudenken, wie es um ihre Marke steht. Und welche relevanten, emotionalen und wirklch berührenden Geschichten sich über sie erzählen lassen.