
Bikes:
Electra: Ein Fahrrad als Lifestyle-Objekt
Mit trendigen Cruisern erobern die beiden Berliner Benno Baenziger und Jeano Erforth von Kalifornien aus Europa. Neue Modelle und Accessoires haben Electra zur Lifestyle-Marke gemacht, die etwa in Russland gleich neben Prada und Gucci verkauft wird.
Zwanzig Jahre ist es her, dass zwei Berliner eine Idee in die Tat umsetzten, die ihnen Unternehmensberater wohl nach Kräften ausgeredet hätten. Benno Baenziger und Jeano Erforth, zu dieser Zeit nicht mehr in Berlin, sondern in einem kalifornischen Surferort heimisch, wollten eine neue Generation an Fahrrädern entwickeln: Design-orientierte Bequem-Räder (Fachjargon: Cruiser), mit denen sich selbst Surfer gerne sehen lassen.
Inzwischen ist klar: Der Mut der beiden Fahrrad-Liebhaber hat sich gelohnt. Electra, benannt nach dem Musik-Stück einer Rockband, ist heute eine der angesagtesten Marken im Fahrradmarkt. Und das, obwohl vor zwanzig Jahren in den USA ein völlig anderer Radtyp gefragt war. Wer über Fahrräder sprach, meinte damals vor allem Mountain-Bikes – Fahrräder, die man in der Electra-Produktpalette bis heute vergeblich sucht.
Doch nur auf Cruiser verlässt sich der Fahrradhersteller mit Sitz im kalifornischen Vista auch nicht mehr. 2001 kam mit „Townie“ ein Stadtrad mit eine völlig neuen Geometrie („Flat Food Technology“) hinzu. Fünf Jahre später wurde die Programmpalette um das Holland-Rad „Amsterdam“ erweitert. Seit 2010 gibt es auch sportliche Modelle: "Ticino", angelehnt an handgefertigte, Schweizer Sporträder aus den 50er und 60er Jahren und Verse, ein leichtes Sportrad, das nicht nur schnell, sondern auch schön sein soll.
Die Optik ist immer noch eine der Kernkompetenzen. Electra, so das Selbstverständnis, ist eine „Lifestyle-Marke, die Fahrräder produziert.“ Angeboten werden deshalb nicht nur trendig aussehende Räder, sondern auch ein immer größer werdendes Sortiment an Accessoires. Aus über 500 Produkten können Radfans inzwischen wählen, um aus ihrem Drahtesel etwas Besonderes zu machen. Beispielsweise mit einer quietschbunten Retro-Klingel oder auffallend designten Griffen.
Dass derartige Zubehörteile nicht nur in Fahrradläden zu finden sind, untermauert den Lifestyle-Anspruch. Electra-Accessoires, sagt eine Unternehmenssprecherin, verkaufen sich derzeit wie „geschnitten Brot“ – auch an Orten, wo man Fahrradzubehör normalerweise nicht vermutet. In Coffee Shops beispielsweise oder in Mode-Boutiquen.
Dort sind mitunter auch Räder zu finden. Klassische Werbung ist bei Electra dagegen kein Thema. Da die Produkte aus Sicht der Electra-Manager „für sich sprechen“, sei es ein Leichtes, sie bei Medien wie Frauen- oder Fitness-Magazinen ins Gespräch zu bringen. Auch im Social Web ist Electra kräftig unterwegs. Auf Facebook etwa finden die Nutzer diverse Länderseiten. Electra Bike Europe zum Beispiel oder die Electra Bicycle Company USA. Letztere wird aktuell von knapp 23.000 Nutzern mit einem „Gefällt mir“ bedacht, bei der europäischen Seite sind es rund 1.500. Außerdem hält Electra USA auf Twitter (knapp 4.000 Follower) und neuerdings auch bei Instagram die Flagge hoch. Abgerundet wird das Bild durch Marken-Kooperation mit Unternehmen wie Nestlé oder Panasonic.
Bei jährlichen Wachstumsraten in zweistelliger Höhe – 2012 wurden in Europa rund 35.000 Fahrräder verkauft – brauchen sich die Erfinder trendiger Bequem-Räder um die Nachfrage allerdings keine Sorgen zu machen. Und an den Technik-Trends im Fahrradmarkt geht Electra ebenfalls nicht vorbei: Inzwischen gibt es mit dem Townie Go auch eine Elektro-Version. Abgesehen davon sitzen die Fans der Marke nicht nur in Westeuropa, sondern zunehmend auch in östlichen Gefilden. In Russland, erzählen Electra-Vertreter stolz, gelten die Räder, die in Deutschland zwischen 399 und 1500 Euro kosten, als Luxusgut. In gewöhnlichen Fahrradläden sind die Fahrräder deshalb dort weniger zu finden – eher in Konsumtempeln mit Marken wie Prada oder Gucci.