
Compliance:
Ethik: "Regelgeber ist stets das Unternehmen"
War der BMW-Pitch Compliance-konform? Schließlich wird Berater Thomas Strerath nun Chef einer der Gewinner-Agenturen. Fragen an Marion Bernhardt und Winfried Bullinger von der Kanzlei CMS.

Foto: CMS Deutschland
Vergangene Woche wurde bekannt, dass BMW für den europäischen Markt drei Agenturen verpflichtet. Es war der wichtigste Autopitch des Jahres. Als Berater wie Architekt des neuen Agenturmodells fungierte Thomas Strerath. Er wird nun Chef von Mediamonks, dem eigentlichen Gewinner des Pitches. Vorwürfe, damit seien Compliance-Vorgaben verletzt worden, weist BMW zurück. Was Compliance bedeutet, wer die Regeln festlegt und mehr zum Thema erzählen Marion Bernhardt und Winfried Bullinger von der Kanzlei CMS Deutschland.
Immer wieder liest und hört man von Compliance-Verstößen. Auch beim Auswahlverfahren von BMW für eine neue Agentur sollen unternehmensinterne Vorgaben nicht beachtet worden sein. So der Vorwurf. Aber was versteht man genau Compliance?
Winfried Bullinger: Compliance heißt zunächst einmal Einhaltung von Rechtsvorschriften. Es umfasst gleichermaßen gesetzliche Verbote und Bestimmungen wie auch vom Unternehmen selbst gesetzte Regeln wie beispielsweise den Code of Conduct.
Gibt es eine Art Kanon, der verbindlich für die jeweilige Branche ist?
Marion Bernhardt: Regelgeber ist stets das Unternehmen selbst. Allerdings greift es bei der Ausgestaltung auf die Empfehlungen von Verbänden zurück.
Bullinger: Die Verbände stellen so etwas wie Mustervorlagen bereit, die man dann an das eigene Unternehmen anpasst. Compliance beinhaltet stets die Gesamtheit der gesetzlichen Bestimmungen, im Speziellen die strafrechtlichen Gebote und Verbote im Bereich der Korruption.
Wie groß sind die Spielräume der Unternehmen bei der Ausgestaltung?
Bernhardt: Es gibt durchaus Spielräume. Dazu kommt: Jedes Unternehmen sieht sich an, welche konkreten Risikofelder bestehen und kann dann eigene Schwerpunkte bei der Compliance setzen. Beim Einzelhandel gibt es andere Risikofelder als beispielsweise bei der Entsorgungswirtschaft.
Bullinger: Unternehmen kann ohne weiteres festlegen, wie beispielsweise auf Einladungen zum Essen aber auch zu Veranstaltungen reagiert werden muss. Es gibt aber Felder, wo sich die Unternehmen schwertun: Wenn sie jemanden etwas aktiv anbieten, sei es im Rahmen von Sportsponsoring eine Einladung in die VIP-Lounge, die Einladung zu einer Fachtagung und anderes mehr. Selbst wenn es jahrelang praktiziert wurde, so kann es plötzlich Compliance-relevant sein. Man muss beachten, wie sich der Diskurs um Compliance verändert und die eigenen Regeln anpassen.
Sie sprechen von Risikofeldern. Was heißt das konkret mit Blick auf die Automobilwirtschaft?
Bernhardt: Grundsätzlich lässt sich sagen: Überall dort, wo große Geldsummen bewegt werden, herrscht eine gewisse Krisenanfälligkeit, insbesondere für Korruption. Davon betroffen sind beispielsweise Branchen wie die Immobilien- und Baubranche – auch international -, sowie die Automobil-, Energie- und Entsorgungswirtschaft
Bullinger: Geheimnisverrat ist oft ein wichtiges Thema oder die Absprachen zwischen Herstellern. Wobei die Grenzen zwischen kartellrechtlich relevanten Absprachen und legitimen Abstimmungen beispielsweise über Abgasgrenzwerte und Ziele gar nicht so einfach zu ziehen sind. Auch das Verhältnis zu Zulieferern ist problematisch mit Blick auf etwaige Abhängigkeiten.
Bei Autoherstellern hat man oft den Eindruck, sie würden Strafgelder bewusst in Kauf nehmen, weil die Vorteile durch Regelverstöße überwiegen.
Bullinger: Das Thema Compliance hat heute einen hohen Stellenwert und steht im gesellschaftlichen Diskurs sehr weit im Vordergrund. Entsprechend streng wird beobachtet, wie sich Unternehmen verhalten. Das war früher anders. Gerade beim Auslandsgeschäft war es jahrelang üblich, dem Auftraggeber oder Käufer Vorteile zu gewähren. Das ist heute brandgefährlich. Der alte Satz, wonach der Kaufmann stets mit einem Bein im Gefängnis steht, der zieht heute nicht mehr.
Bernhardt: Ich denke, dass sich das mehr oder weniger überlebt hat. In Zeiten von Social Media werden Verstöße sehr schnell aufgegriffen und so für Transparenz gesorgt. Die Folge kann eine starke Rufschädigung sein, die sich dann auch wirtschaftlich bemerkbar macht.
Mit Blick auf den Abgasskandal bleiben da Zweifel. Aber grundsätzlich wird das Thema von den Unternehmen nicht mehr unterschätzt?
Bernhardt: Nein, das merkt man auch. Compliance ist ein Bereich, in das Unternehmen mittlerweile viel Geld investieren. Dax-Konzerne haben große Abteilungen aufgebaut und Compliance-Management-Systeme etabliert. Es geht nicht nur darum, Verstöße zu ahnden, sondern vor allem auch präventiv zu wirken. Da werden Risikoanalysen durchgeführt, Audits, Stichproben, Sonderuntersuchungen, Business-Partner-Screenings und anderes mehr. Denn die Folgen bei Verstößen sind gravierend und reichen von Schadenansprüchen und Strafgeldern über die sofortige Beendigung von Vertragsbeziehungen bis zum Ausschluss bei künftigen Ausschreibungen. Das alles sind massive wirtschaftliche Nachteile.
Wer macht auf Regelverstöße aufmerksam? Mitarbeiter? Wettbewerber?
Bernhardt: Viele Hinweise werden heute anonym gegeben. Das können Mitarbeiter sein, aber auch Wettbewerber, die leer ausgegangen sind. Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Es hängt natürlich auch davon ab, wie das jeweilige Unternehmen das eigene Hinweisgebersystem aufgesetzt hat, also etwa, ob das unternehmensinterne Whistleblower-System auch für Dritte geöffnet ist, digitale Meldesysteme Anonymität zusichern und anderes mehr.
Hat Deutschland generell ein Compliance-Problem?
Bullinger: Nein. Überall dort, wo Menschen geschäftlich tätig sind, gibt es Verstöße. Ein Dax-Unternehmen wird immer wieder mit Verstößen zu tun haben. Im Gegenteil: Werden keine gemeldet, so ist das für uns eher ein Grund, kritisch zu hinterfragen, ob es mit rechten Dingen zugeht. Im internationalen Vergleich steht Deutschland aber recht gut da.