
Compliance:
Gefährliche Weihnachtsgeschenke: "Die Grenze zwischen Dankeschön und Bestechung ist fließend"
Vom Weihnachtsstollen über Konzertkarten bis zu "Dingen, die man so nicht bekommt”. Agenturen möchten ihre Kunden mit freundlich gemeinten Geschenken zur Weihnachtszeit wohlstimmen. Aber was dürfen Geschäftspartner annehmen und was nicht? Peter F. Schmid, Chef von "Wer liefert was?" und sein Unternehmensjurist Christoph Curvers zeigen, was beim Thema Weihnachts-Compliance wichtig ist.
Vom Weihnachtsstollen über Konzertkarten bis zu "Dingen, die man so nicht bekommt”. Agenturen und andere Dienstleister möchten ihre Kunden mit freundlich gemeinten Geschenken zur Weihnachtszeit wohlstimmen. Aber: Was dürfen Geschäftspartner annehmen und was nicht? Welche Konsequenzen können sie erwarten, wenn sie nicht regelkonform handeln? Peter F. Schmid, Geschäftsführer von "Wer liefert was?" und Christoph Curvers, Rechtsanwalt und Syndikusanwalt von "Wer liefert was?", zeigen, was beim Thema Weihnachts-Compliance wichtig ist.
1. Bis zu welchem Wert darf ich als Einkäufer Weihnachtsgeschenke annehmen?
Christoph Curvers: Eine verbindliche Obergrenze gibt es nicht. Die Grenze zwischen einem erlaubten Dankeschön und einer verbotenen Bestechung ist fließend – auch zu Weihnachten. Oft hört man, dass man Geschenke im Wert von bis zu 35 Euro unbesorgt annehmen könne. Das ist aber eine rein steuerrechtliche Vorschrift, an der sich weder der Schenker noch der Beschenkte orientieren sollten. Auf der sicheren Seite ist nur der Einkäufer, in dessen Firma es klare und verbindliche Regeln zum Umgang mit Geschenken gibt.
Peter F. Schmid: Diese Regeln können in einer Betriebsvereinbarung, als Unternehmensrichtlinie, im "Code of Conduct" oder direkt im eigenen Arbeitsvertrag zu finden sein. Gibt es so etwas im Unternehmen nicht, dann sollte man unbedingt mit dem Vorgesetzten sprechen und um eine klare – im Idealfall schriftliche – Regelung bitten. Christoph Curvers: Klar verboten ist die Bestechlichkeit, die immer dann vermutet wird, wenn "eine Hand die andere wäscht", mit anderen Worten: Wenn zwischen der Annahme eines Geschenks und der Gewährung eines Vorteils ein Zusammenhang besteht oder auch nur vermutet werden kann – schon ist nicht nur der Arbeitsplatz in Gefahr, sondern auch die Freiheit. Das mögliche Strafmaß beträgt immerhin bis zu drei Jahre. Im Extremfall und ohne eindeutige Regeln im Unternehmen könnte das auch bei Geschenken unter der genannten 35 Euro-Grenze nachgewiesen werden.
2. Werden in der Gesetzgebung Unterschiede gemacht zwischen Non-Food- Geschenken wie einem Smartphone und verderblichen Lebensmitteln, wie einer Flasche Wein oder einem Lebensmittelkorb?
Christoph Curvers: Einige Arbeitgeber unterscheiden in ihren Richtlinien zwischen Geld- und Sachgeschenken, aber eine weitergehende Unterscheidung nach der Art der Sachgeschenke gibt es nicht. Peter F. Schmid: Auch wenn es heute schon sehr günstige Smartphones gibt: Dieses Beispiel ist eindeutig zu wertvoll, um noch als "Aufmerksamkeit" durchzugehen.
3. Was muss ich mit zu teuren Geschenken machen? Zurückschicken? Und wer bezahlt den Versand?
Christoph Curvers: Wenn ein Geschenk die im Unternehmen geltende Wertgrenze überschreitet, dann lehnt man höflich, aber bestimmt ab. Das gilt auch für Präsente, die einem nicht persönlich überreicht, sondern zugesandt werden: Einfach den Vorgesetzten informieren und das Geschenk mit einem netten Anschreiben zurücksenden – am besten mit dem Hinweis auf die eigenen Unternehmensrichtlinien. Zu den Versandkosten ist zu sagen, dass das Geschenk rechtlich betrachtet eine unverlangte Warensendung ist. Daher dürfte man den Absender auffordern, es entweder abzuholen oder den Rückversand auf seine Kosten zu organisieren.
Peter F. Schmid: Unternehmen sollten aber die Kirche im Dorf lassen. Denn in der Praxis stößt man den Geschäftspartner so unnötig vor den Kopf. Dieser wollte dem Einkäufer im Normalfall nur eine Freude machen – ganz ohne Bestechungsgedanken. Besser kommt ein Rückversand an, dessen Kosten der Arbeitgeber trägt und mit einem freundlichen und kurz erklärenden Brief versehen ist. Damit zeigt das Unternehmen auch, dass es die Mitarbeiter bei der Einhaltung der eigenen Richtlinien unterstützt.
4. Darf ich zu teure Geschenke an meine Kinder/Verwandten/Kollegen weitergeben?
Christoph Curvers: Das ist egal. Denn im Bereich der strafrechtlich relevanten Bestechlichkeit ist es gleichgültig, ob der dabei herausspringende Vorteil dem Bestochenen selbst zu Gute kommt oder einem Dritten. Und auch zivilrechtlich spielt die spätereVerwendung kaum eine Rolle: Maßgebend ist, dass der Einkäufer das Geschenk überhaupt angenommen hat. Die Weitergabe an Kollegen könnte anders zu bewerten sein, ist aber ohne Rücksprache mit dem Vorgesetzten nicht zu empfehlen. Gesetz und Unternehmensrichtlinien gelten schließlich auch für Ihre Kollegen.
5. Muss ich zu teure Geschenke meinem Vorgesetzten melden?
Christoph Curvers: Wenn in den Unternehmensrichtlinien nur eine Wertgrenze geregelt ist, sollte man jedes Geschenk dem Chef zeigen, denn wenn man den tatsächlichen Wert des Geschenkes falsch einschätzt, droht Ärger.
Peter F. Schmid: Am besten ist es aber, wenn die Unternehmensrichtlinie zum Umgang mit Geschenken eine Meldung beim Chef vorsieht. Damit werden Missverständnisse verhindert. Übrigens hat der Bundesverband Materialwirtschaft Einkauf und Logistik e.V. eine Verhaltensrichtlinie für Einkäufer erarbeitet, die auch das Thema Bestechung behandelt. (Link: http://www.bme.de/BME-Verhaltenskodex-gegen-Korruption-vorgestellt.44625.0.html)
Christoph Curvers: Diese reicht zwar zur Schaffung einer Rechtssicherheit für den Einkäufer bei Weitem nicht aus, ist aber für Unternehmen und ihre Mitarbeiter immerhin ein Einstieg ins Thema.
6. Was passiert, wenn ich gegen die Regeln (Gesetz/Unternehmensrichtlinien) verstoße?
Christoph Curvers: Wer sich im Rechtssinne bestechen lässt und erwischt wird, der verliert auf jeden Fall den Arbeitsplatz und möglicherweise auch die Freiheit.
Peter F. Schmid: Ich kenne Fälle, in denen eine einzige Kiste mittelprächtigen Rotweins eine bürgerliche Existenz vernichtet hat.
7. Was passiert, wenn ich unwissentlich (z.B. weil das Geschenk billiger aussieht, als es ist) verstoße?
Christoph Curvers: Kurz gesagt: Damit würden Sie nicht durchkommen. In Zeiten des Internet ist die korrekte Wertermittlung jeder beliebigen Ware nur ein paar Klicks entfernt.
Peter F. Schmid: Aber auch hier gilt: Indem Sie einfach jedes Geschenk unabhängig vom tatsächlichen oder vermuteten Wert Ihrem Vorgesetzten zeigen und das jeweils weitere Vorgehen gemeinsam abstimmen, können Sie solche Situationen zuverlässig vermeiden.
Wer liefert was? ist die wahrscheinliche bekannteste Lieferantensuchmaschine für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Das 1932 gegründete Traditionsunternehmen stieg via Btx und CD-ROM schon in den 80er Jahren ins Digitalgeschäft ein und startete 1995 die erste Internet-Plattform. Mittlerweile läuft das Geschäft komplett digital ab. Europaweit beschäftigt "Wer liefert was?" über 200 Mitarbeitern, der Hauptsitz ist Hamburg.