HDE:
Handel jammert über zweites Adventswochenende
Es ist das zweite Weihnachtsgeschäft im Ausnahmezustand. Zwar können geimpfte und genesene Kunden weiter einkaufen - aber der Handelsverband beklagt Umsatzeinbußen und höhere Kosten.
Der Einzelhandel hat sich mit den Umsätzen am zweiten Adventswochenende unzufrieden gezeigt und fürchtet erneut ein Fiasko im normalerweise umsatzstarken Dezember. "Die Einführung verschärfter Corona-Maßnahmen in Geschäften ist eine dramatische Zäsur im Weihnachtsgeschäft", beklagte der Geschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland, Stefan Genth. Hintergrund ist, dass wegen der hohen Corona-Infektionszahlen in weiten Teilen Deutschlands nur Geimpfte und Genesene zu vielen Geschäften Zutritt haben. Der HDE führt die Umsatzrückgänge darauf zurück und beklagt auch höhere Kosten durch die Kontrollen.
Bereits im Weihnachtsgeschäft 2020 mussten viele niedergelassene Händler starke Umsatzeinbußen hinnehmen. In der zweiten Dezemberhälfte mussten viele schließen. Damals waren zum Beispiel
Bekleidungs- und Schuhgeschäfte besonders betroffen. Die Entwicklung in der Branche insgesamt ist sehr unterschiedlich: Während Onlinehändler als Profiteure der Pandemie gelten und es zum Beispiel für Lebensmittelgeschäfte weniger Auflagen gibt, sind die klassischen Händler in Innenstädten besonders betroffen.
"In der Woche vor dem zweiten Advent sind Umsätze und Frequenzen spürbar eingebrochen", sagte Genth. Er verwies auf eine Trendumfrage seines Verbandes unter etwa 1600 Unternehmen, wonach die Umsätze im stationären Nicht-Lebensmittel-Handel um durchschnittlich 26 Prozent geringer ausfielen als im Vorkrisenjahr 2019. Die Besucherzahlen im Innenstadthandel seien unter 2G-Regeln durchschnittlich sogar um 41 Prozent gesunken. Auch in diesem Jahr trifft es Modeläden laut HDE wieder besonders hart.
Zum zweiten Adventswochenende galten in vielen Bundesländern erstmals 2G-Regeln für den Einzelhandel. Ausgenommen sind Läden des täglichen Bedarfs - also etwa Lebensmittelgeschäfte oder Drogerien.
Die schärferen Regeln waren am Donnerstag von Bund und Ländern gemeinsam beschlossen worden. Die Länder müssen sie aber jeweils in eigenen Verordnungen umsetzen. Seit Samstag gilt 2G für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg ebenso wie in Rheinland-Pfalz, Hamburg und Schleswig-Holstein.
Am Sonntag beziehungsweise Montag folgen weitere Länder, darunter neben Hessen auch Sachsen-Anhalt als letztes Bundesland im Osten.
Anderswo im Osten galt eine solche Regel schon vor den Bund-Länder-Beschlüssen. In Bayern und Niedersachsen sollen entsprechende Regelungen Mitte der Woche in Kraft treten.
Unklar ist, wie sich die Einzelhandelsumsätze ohne die neuen Regeln entwickeln würden, also ob Kunden wegen der neuen Vorschriften oder aus Furcht vor Infektionen fernbleiben. So beobachteten Statistiker in den ersten drei Novemberwochen einen verstärkten Rückgang der Mobilität in Kreisen mit hoher Inzidenz, obwohl damals noch keine tiefgreifenden mobilitätseinschränkenden Maßnahmen galten.
SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz, der in dieser Woche zum Kanzler gewählt werden soll, hatte am Donnerstag argumentiert, die 2G-Regel im Einzelhandel sei vertretbar. Jeder habe die Möglichkeit, sich impfen zu lassen. Zudem verwies auf er auf Länder, wo die Regel bereits in Kraft ist. "Da kann man von der Praxis lernen, und diese Praxis ist gut." Scholz argumentiert zudem, dass die Wirtschaftshilfen in der Corona-Krise verlängert worden sind oder noch werden.
Der HDE will von der Bundesregierung zusätzliche Hilfen, um die 2G-Folgen zu kompensieren. Ziel müsse es sein, "die zu befürchtenden Verluste möglichst schnell und fair abzufedern", schrieb HDE-Präsident Josef Sanktjohanser in einem Brief an Scholz und die scheidende Kanzlerin Angela Merkel. Dafür reichten die Entschädigungsregelungen bei weitem nicht aus.
HDE-Hauptgeschäftsführer Genth sagte, der Handel habe auf das Weihnachtsgeschäft gesetzt. "Doch nun rücken viele Händlerinnen und Händler erneut mit jedem Tag näher an den Rand ihrer Existenz, ein katastrophaler Ausblick." Nach HDE-Schätzung könnten sich die Umsatzverluste bei den betroffenen Händlern im Dezember auf 5,5 Milliarden Euro belaufen. Pro Verkaufstag entspreche das einem Rückgang um rund 200 Millionen Euro im Vergleich zu 2019.