
Health-Trend:
Holtappels: Marken auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit
Weniger Fett, weniger Zucker, kein Tabak, kein Alkohol: Die wachsende Gesundheitsorientierung der Verbraucher hat zur Folge, dass Marken, die eher für das Gegenteil stehen, ein böses Schicksal erleiden werden. - Ihr Geschäftsmodell hat keine Zukunft mehr.
Weniger Fett, weniger Zucker, kein Tabak, kein Alkohol: Die wachsende Gesundheitsorientierung der Verbraucher hat zur Folge, dass Marken, die eher für das Gegenteil stehen, ein böses Schicksal erleiden werden. Ihr Geschäftsmodell hat keine Zukunft mehr. - Dazu nun der aktuelle Kommentar von unserem W&V-Gastautor Benedikt Holtappels, Geschäftsführer der Agentur GGH Lowe (Hamburg).
Neulich war ich mal wieder im Supermarkt und machte eine überraschende Entdeckung: Im Getränkeregal nimmt die kleine Underdog-Marke Fritz-Kola mit ihren diversen Cola- und Limovarianten mehr Platz ein als Coca-Cola.
Die einstige Kultmarke macht gerade schwere Zeiten durch. Während 1998 in den USA pro Kopf noch 212 Liter Cola und Fanta getrunken wurden, ist Coca-Cola mittlerweile bei 167 Liter gelandet. Tendenz weiter fallend. Allein in Europa ging der Volumenumsatz im letzten Jahr um drei Prozent zurück. Seit Jahren investiert Coca-Cola schon in andere Bereiche wie Tee und Wasser. Jetzt soll ein Milchprodukt den schwindenden Absatz aufhalten. Der Erfolg ist eher zweifelhaft, denn ein Milchprodukt steckt nicht gerade in der Marken-DNA des US-Konzerns. Mal abgesehen davon lässt sich mit keinem anderen Getränk im Coca-Cola-Konzern so viel Geld verdienen wie mit Zuckerbrause, wie jüngst das "Handelsblatt" schrieb.
Die Fastfood-Ketten McDonald’s und Burger King kämpfen mit ähnlichen Absatzproblemen. Die besten Zeiten liegen hinter ihnen und sie finden einfach kein Rezept, um die alte Verwenderschaft bei Laune zu halten. Geschweige denn neue Kunden zu begeistern. Zwar bietet McDonald’s heute mehr Salat an und Burger King will jetzt in Deutschland mit einem Lieferservice punkten, doch das sind eher letzte Versuche, den Weg in die Bedeutungslosigkeit noch etwas aufzuschieben. Neue schicke Kampagnenkonzepte dürften daran kaum etwas ändern.
Fakt ist: Die Geschäftsmodelle von Marken, die für negative Aspekte wie Zucker, Fett und ungesunden Lifestyle stehen, haben keine Zukunft mehr. Bei den Konsumenten ist endgültig angekommen, was jahrelang von Gesundheitsexperten, aber auch den eigenen Müttern gepredigt wurde: Fast-Food und Cola sind schlecht für die Gesundheit und machen fett und krank. Wir alle haben noch die Bilder aus der Dokumentation „Supersize me“ vor Augen. Regisseur Morgan Spurlock zeigte darin einen Selbstversuch, indem er 30 Tage alle Mahlzeiten bei McDonald’s zu sich nahm und im Zuge dessen fast 12 Kilo zulegte. Der Film stieß eine überfällige Diskussion an, die nicht aufzuhalten war.
Inzwischen hat sich ein völliger Paradigmenwechsel vollzogen. Produkte, die dick machen, sind out. Menschen wollen sich und ihrem Körper heute etwas Gutes tun. Selbst in den Emerging Markets trommeln die Regierungen für gesündere Ernährung und gegen Übergewicht. So führte etwa Mexico eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke ein.
Natürlich brechen Menschen auch ab und zu aus ihren guten Vorsätzen aus. So liegen Burger etwa trotz Veggie-Diskussion im Trend. Doch die Konsumenten gehen dann eben nicht zu McDonalds, sondern zu kleinen unabhängigen Burgerläden wie Hans im Glück. Die Restaurants sind nicht nur zeitgemäß designt, sondern bieten Burger auch in vermeintlich gesunden Varianten, ohne Brot, mit viel Salat oder sogar als vegetarische Mahlzeit. Hinzu kommt, dass durch das Zusammensitzen an großen Tischen der Nachbarschaftseffekt verstärkt wird. Man fühlt sich als Teil der lokalen Community, gönnt sich auch mal einen Burger, aber eben einen, der nicht so fetttriefend ist wie das Original.
Auch im Coke-Bereich greifen junge Konsumenten heute lieber zum hippen lokalen Label als zu Produkten eines anonymen Großkonzerns. Bionade hat es vor Jahren vorgemacht, viele kleine unabhängige Labels sind inzwischen gefolgt. Die Nahbarkeit von Marken spielt inzwischen gerade bei jungen Verbrauchern eine Riesenrolle.
Das veränderte Konsumentenverhalten dürfte schon bald weitere ungesunde Produkte in die Absatzzange nehmen wie Chips und Ketchup. Auch hier eine Beobachtung aus dem Supermarkt: Das Angebot an Reiswaffeln und Sesamstangen hat sich in den letzten Monaten dramatisch erhöht.
Kann man dem Sinneswandel der gesundheitsbewussteren Verbraucher entkommen? Ein positives Beispiel hierfür ist Starbucks. Die Coffeeshop-Kette strauchelte vor einiger Zeit auch durch eine Krise. Doch durch neue Produkte und eine smarte Anpassung an den sich ändernden Zeitgeist hat der US-Konzern nochmal die Kurve gekriegt. In Amsterdam etwa eröffnete Starbucks ein Café mit wenig Branding, das vor allem frisch gebrühten Kaffee verkauft. Denn die Zeiten der kalorienreichen Latte-Machiatos to go gehen ebenfalls ihrem Ende entgegen. Starbucks hat natürlich einen Vorteil. Kaffee an sich ist nicht so gesundheitsschädlich wie Burger und Cola.
Über den Autor:
W&V-Kolumnist Benedikt Holtappels ist Mitgründer von Grimm Gallun Holtappels in Hamburg. Nach dem Verkauf der Kreativschmiede an Lowe + Partners gehört er nun zur Geschäftsführung der umfirmierten Agentur GGH Lowe.