Dabei war der Konzern lange Zeit ein Fels in der tosenden Brandung, die so einige Unternehmen der deutschen Modebranche wegzureißen droht und dabei auch die Großen nicht verschont: Gerry Weber will jeden zehnten Mitarbeiter entlassen, Tom Tailor schließt Läden und Esprit steckt seit Jahren in der Neufindung. Die Muttergesellschaft der Adler-Modemärkte, Steilmann, musste unlängst sogar Insolvenz anmelden - und das nur wenige Monate nach ihrem Börsengang.

Zum schwierigen Umfeld gesellen sich hausgemachte Fehler. Sei es, dass man zu spät mit einem eigenen Onlineauftritt am Start war, Trends zu spät erkannt oder die Kundenwünsche vernachlässigt hat. Davor kann auch Hugo Boss ein Lied singen. Die Vernachlässigung der Herrenmode ist aus Sicht von Aktionärsvertreter Filippo Siciliano von der Deutschen Schutzbereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) der schwerwiegendste Fehler: "Hugo Boss hat den Bezug zu den Wurzeln verloren." Auch die Hinwendung zu mehr Luxus sei nicht geglückt. Statt "Champions League-Niveau" biete Boss hier noch "zu viel Kreisliga", insbesondere bei der Verarbeitung der Waren.

Genau hier sieht Oliver MacConnell von der Berliner Fashion Practice Academy allerdings auch eine Gefahr. Vor Langer liege eine Gratwanderung: "Er muss die Marke für den Kunden von Herrenbekleidung wieder als sexy und stilistisch preislich adäquat positionieren ohne die dringend notwendige unternehmerische Konsolidierung zu vernachlässigen", sagt MacConnell. Es brauche eine schlaue betriebswirtschaftliche Steuerung aller kreativen Prozesse bei Boss. Allerdings: "Hugo Boss darf nicht wieder zu einem langweiligen Mittelständler gemacht werden."

Einiges hat das Management von Boss bereits in die Wege geleitet. 50 Millionen Euro will der Konzern in diesem Jahr einsparen, indem er teure Mietverträge nachverhandelt oder Marketingausgaben kürzt. Auch die Investitionen werden zusammengestrichen und Läden geschlossen. Runter sollen zudem die Preise in China, wo Boss-Klamotten noch immer wesentlich teuer sind als hierzulande. Darüber hinaus will Hugo Boss bei der Wahl seiner Handelspartner selektiver vorgehen.

Ausreichend ist das aus Sicht von Experten aber noch nicht. Langer dürfte in Kürze einen Plan vorlegen, wie er die Umsätze wieder antreiben will, erwartet Commerzbank-Analyst Andreas Riemann. Dass der Aufsichtsrat sich gegen eine externe Lösung entschieden habe, zeige aber auch, wie schwer es offenbar sei, jemand geeigneten für den Posten zu finden.

Simone Hett, dpa-AFX und Annika Grah, dpa


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