
Visits und Page Impressions:
IVW: Zoff um die täglichen Klickzahlen
Bei der IVW ist ein Streit um die neue tagesaktuelle Ausweisung der Online-Klickzahlen entbrannt. Die ursprüngliche Version enthielt auch Zahlen von Webseiten, die dort eigentlich gar nicht stehen sollten. Dahinter steht ein alter Konflikt um die digitale Media-Währung.

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Seit dem 3. Mai liefert die IVW tägliche Klickzahlen zu den deutschen Online-Angeboten. Was als Meilenstein für die Berliner Auflagen- und Online-Kontrolleure gedacht war, sorgt hinter den Kulissen nun für Ärger. Ein seit langem schwelender Konflikt um die Mediawährung Online droht nun, wieder aufzubrechen.
Der Auslöser: Auf der vergangenen Woche erstmals publizierten IVW-Liste fanden sich auch Webseiten, die diese Zahlen eigentlich gar nicht veröffentlichen wollten. Dazu gehört vor die United Internet AG mit ihren Angeboten GMX, 1&1 und Web.de. Ebenso unfreiwillig mit ihren Tageswerten vertreten waren dort außerdem die RTL-Mediatheken-App TV Now sowie der zu Axel Springer gehörende Online-Prospektdienst Kaufda.
Die insgesamt zwölf Online-Seiten, die laut IVW etwa zehn bis 13 Prozent aller deutschen Visits ausmachen, fehlten bereits in der bisherigen monatlichen Klick-Rangliste der IVW. Die betroffenen Unternehmen wurden von den frischen Tages-Zahlen offenbar kalt erwischt. Auf Bitte von United Internet und RTL-Gruppe entfernte die IVW die entsprechenden Zahlen in der Liste wieder.
"Unique User" vs. "Visits"
Hinter der Affäre steckt eine seit Jahren schwelende Kontroverse um die digitale Reichweitenwährung. Einige Anbieter, allen voran United Internet, sehen die IVW-Zahlen seit jeher kritisch und vermarkten ihre Angebote vor allem über die Agof-Reichweiten-Währung "Unique User". Deshalb verweigerten sie auch schon in der Vergangenheit eine Veröffentlichung ihrer IVW-Werte.
"United Internet Media fokussiert sich bei digitalen Leistungswerten auf den Nutzer", sagt Geschäftsführer Rasmus Giese. "Dieser wird über die digitale Reichweitenwährung Unique User übergreifend und neutral von der Agof erhoben und ausgewiesen." Die IVW-Zahlen sieht Giese eher als ergänzendes Gütesiegel für die entscheidende Mediawährung der Agof: sie seien eine "wichtige Prüfinstanz und Voraussetzung für die Agof-Ausweisung".
Ähnlich argumentiert die RTL-Gruppe im Fall von TV Now: "Für unsere Werbekunden und uns ist die weitere lückenlose Teilnahme von TV Now an den Agof Daily Digital Facts vermarktungsrelevant", erklärt ein Unternehmenssprecher.
Die Beziehung zwischen den Joint-Industry-Comittees Agof und IVW ist schon immer spannungsreich. Die von der IVW gemessenen Page Impressions (PI) und Visits sind streng genommen gar keine Media-Währungen sondern eher technische Kennzahlen. Die Page-Impression steht für jeden einzelnen Klick auf einer Webseite. Der Visit-Wert steht für einen Aufruf einer Seite durch einen Nutzer. Jeder weitere Klick, den ein Besucher auf einer Online-Seite verursacht, wird zu diesem Visit hinzugerechnet.
Die Agof-Reichweite Unique User wiederum ist das Gegenstück zu den Mediawährungen anderer Gattungen wie etwa dem TV-Zuschauer oder dem Print-Leser pro Ausgabe. Sie beschreibt die tatsächliche Person, die vor dem Bildschirm sitzt und beinhaltet auch demografische Informationen wie Geschlecht und Alter. Beispiel: Ein einziger Unique User, der vier Mal täglich W&V Online besucht und dort jeweils vier Seiten aufruft, produziert einen Visit und 16 Page Impressions.
Ungewollter "Blick unter die Motorhaube"
Den IVW-Skeptiker ist seit langem ein Dorn im Auge, dass sich der eher grobe Richtwert Page Impressions dennoch de facto zu einer wichtigen Nebenwährung im Geschäft mit Online-Anzeigen entwickelt hat. Vor allem Werbetreibenden, die im Netz eine möglichst große Masse an Menschen erreichen wollen, genügen oft schon Visits und PIs als Kennzahl.
Eine komplette IVW-Abstinenz wäre aber für Agof-Fans nicht möglich. Um den Media-Währungsfrieden zu gewährleisten, schreibt die Agof-Satzung ihren Mitgliedern vor, dass nur Angebote an der Reichweitenstudie teilnehmen können, die auch von der IVW geprüft werden. So kommt es, dass seit Jahren Angebote wie GMX oder Kaufda zwar von der IVW gemessen aber nicht ausgewiesen werden.
Offiziell bemüht sich United Internet, die Affäre eher herunterzuspielen. "Versehentlich wurden bei der Premiere der täglichen Ausweisung der IVW-Zahlen der genannten Angebote veröffentlicht", erklärt Vermarktungschef Giese. "Das erlaubte einen kurzen Blick unter die Motorhaube". Und der falle für die eigenen Angebote ja eigentlich ganz positiv aus.
Bei der IVW klingt das allerdings etwas anders. Die Ausweisung sei keineswegs ein Versehen oder eine Panne gewesen, sagt der zuständige Bereichsleiter Martin Krieg. Er verweist auf eine Info-Mail vom März und einen Verwaltungsrats-Beschluss vom Mai. Dort seien die Mitglieder darauf hingewiesen worden, dass mit der täglichen Messung künftig "alle Digital-Angebote" geprüft und veröffentlicht würden. Keiner der betroffenen Anbieter habe aber dagegen Einspruch erhoben, sagt Krieg und betont: "Ein generelles Recht auf Nichtausweisung besteht nicht".
Veröffentlichung durch die Hintertür?
"PIs und Visits sind die härteste Währung – und laut IVW-Satzung besteht die Pflicht zur Veröffentlichung der Verbreitungszahlen", so der IVW-Manager weiter. "Nur in einem begründeten Ausnahmefall kann man sich nicht ausweisen lassen. Kunden und Agenturen haben schließlich ein berechtigtes Interesse an diesen Zahlen".
Das klingt nach Sprengstoff – der mit der kurzfristigen Entfernung der Zahlen offenbar noch nicht völlig entschärft ist. Die Fraktion der Nicht-Ausweiser befürchtet nun, dass durch eine Hintertür ihre ungeliebten Tages-Zahlen doch noch öffentlich werden könnten. In einer späteren Monatsausweisung könnten die umstrittenen Tageswerte nämlich wieder auftauchen. Dies sei eine "Option", bestätigt IVW-Mann Krieg. Darüber werde derzeit "intern entschieden".