
Schmutziger US-Wahlkampf:
Im Streit um Artikelblockade ändert Twitter seine Regeln
Der Kurznachrichtendienst Twitter ändert nach der Kontroverse um die Blockade eines umstrittenen Zeitungsartikels über Joe Biden seine Regeln für den Umgang mit von Hackern erbeuteten Inhalten.

Foto: Twitter
Knapp drei Wochen vor der US-Wahl ist eine Kontroverse um den Umgang von Twitter mit einem Zeitungsartikel über Joe Biden entbrannt. Jetzt hat der Kurznachrichtendienst eine Änderung der Regeln angekündigt: Durch Hacking erbeutete Inhalte werden künftig nur noch in den Fällen gesperrt, wenn sie direkt von den Hackern veröffentlicht würden, teilte die Twitter-Managerin Vijaya Gadde in der Nacht zum Freitag mit. Damit wolle der Kurznachrichtendienst unbeabsichtigten Konsequenzen unter anderem für Journalisten Rechnung tragen.
Die Zeitung "New York Post" hatte am Mittwoch berichtet, eine E-Mail, die auf einem Notebook in einer Reparaturwerkstatt gefunden worden sei, deute auf ein Treffen des Präsidentschaftskandidaten Joe Biden mit einem Geschäftspartner seines Sohnes Hunter Biden im Jahr 2015 hin. Ein Sprecher von Bidens Wahlkampfteam sagte "Politico", dass es nie ein solches Treffen gegeben habe. Biden hat stets gesagt, er habe sich mit seinem Sohn nicht über dessen Geschäftsaktivitäten unterhalten. US-Präsident Donald Trump versucht knapp drei Wochen vor der Wahl die Aufmerksamkeit auf den Bericht zu lenken.
Twitter-Chef Jack Dorsey spricht von einem Fehler
Twitter ließ Nutzer von Mittwochnachmittag an keine Links zu dem Artikel mehr veröffentlichen oder verschicken und begründete das zunächst mit einem Verstoß gegen Regeln für durch Hacking erbeutete Inhalte. Später verwies der Dienst darauf, dass der Bericht abgebildete angebliche Mails mit unverschleierten E-Mail-Adressen enthalte. Twitters Vorgehen löste Kritik bei den Republikanern aus. "Die direkte Blockade von Links war falsch", erklärte Twitter-Chef Jack Dorsey am Freitag. Man wolle stattdessen nun Kontext hinzufügen.
Der Chef der Telekommunikationsaufsicht FCC, Ajit Pai, kündigte im Zuge der Kontroverse an, seine Behörde wolle eine seit den 90er Jahren geltende Regel präzisieren, die den Umgang mit Inhalten auf Online-Plattformen regelt. Die Bestimmungen der "Section 230" würden zum Teil zu weit interpretiert, was Internet-Unternehmen einen zu weitreichenden Schutz biete. Gemäß der "Section 230" werden Online-Dienste nicht für von Nutzern veröffentlichte Inhalte haftbar gemacht. Zugleich gibt sie ihnen weitreichende Freiheit, gegen bestimmte Inhalte oder Nutzer vorzugehen. Die Regelung hat das heutige Web maßgeblich geprägt. Trump wirft Facebook und Twitter aber vor, konservative Ansichten zu unterdrücken, und fordert eine Abschaffung der "Section 230".
Twitter hatte 2018 Regeln gegen die Verbreitung von Material aus Hacker-Attacken eingeführt, auch als Reaktion auf die Veröffentlichung von mutmaßlich von russischen Angreifern gestohlenen E-Mails der Demokratischen Partei im Endspurt des US-Wahlkampfs 2016.
Der umstrittene Artikel wäre aber auch so blockiert worden
Mittlerweile seien bei dem Kurznachrichtendienst neue Instrumente wie Warnhinweise eingeführt worden, begründete Twitter-Managerin Gadde nun die Änderungen. Deswegen werde man künftig in der Regel die Links mit Warnhinweisen versehen, statt ihre Verbreitung zu verhindern. Die Regeln gegen die Veröffentlichung persönlicher Informationen blieben unverändert, betonte Gadde. Gegen den Artikel der "New York Post" wäre Twitter somit trotzdem vorgegangen - was auch für einen Folgebeitrag am Donnerstag gilt. E-Mails sollten belegen, dass Hunter Biden bei einer chinesischen Firma versucht habe, Profit aus dem Amt seines Vaters als US-Vizepräsident zu schlagen. Die Authentizität der Mails ist nicht bestätigt.
Fragwürdig ist auch, wie die Mails ihren Weg an die Öffentlichkeit fanden. Die "New York Post" bekam nach eigenen Angaben am Wochenende eine Kopie der Festplatte des Notebooks von Rudy Giuliani, Trumps persönlichem Anwalt. Die Kopie sei vom Besitzer der Reparaturwerkstatt angefertigt worden, bevor das Laptop im Dezember 2019 von der Bundespolizei FBI beschlagnahmt worden sei. Der Besitzer der Werkstatt sagte dem Sender CBS, dass ein Mann, der sich als Hunter Biden zu erkennen gab, im April 2019 drei Laptops bei ihm abgegeben habe. Er könne jedoch die Identität nicht bestätigen, weil er sehbehindert sei.
Der Sender NBC berichtete, US-Ermittler prüften, ob es eine Verbindung zwischen den angeblich auf dem Computer gefundenen E-Mails mit einer ausländischen Geheimdienstoperation gebe.