
Übernahme durch Eon:
Innogy-Deal: Abschied von einer Marke
Erst vor knapp zwei Jahren wurde die Energie-Marke Innogy mit viel Aufwand im Markt eingeführt. Nun fällt das Unternehmen dem Deal zwischen Eon und RWE zum Opfer.

Foto: Innogy
Vor knapp zwei Jahren führte Energieversorger RWE mit viel Aufwand und Millionenbudget die neue Endkonsumentenmarke Innogy ein. Nun ist offenbar ihr Ende besiegelt: RWE-Konkurrent Eon übernimmt Innogy und dessen Netz- und Vertriebsgeschäft; das Unternehmen mit seinen 41.000 Mitarbeitern wird zerschlagen. "Nach erfolgreicher Durchführung der Transaktion ist eine volle Integration der Innogy in den Eon-Konzern vorgesehen", heißt es dazu in der Ad hoc-Mitteilung.
Hintergrund ist ein milliardenschwerer Deal, mit dem Eon und RWE am Wochenende die Fachwelt überraschten. Die zwei Riesen wollen auf dem Energiemarkt eng zusammenarbeiten und ordnen ihre Geschäfte neu: Der Stromverkauf an die Kunden soll künftig ganz in die Hand von Eon kommen, während sich RWE auf die Produktion aus konventionellen und erneuerbaren Energien konzentriert. Dazu werden Geschäftsbereiche getauscht, zu 16 Prozent will sich RWE an Eon beteiligen.
2016: #Restart mit Innogy
Diese Pläne gehen zu Lasten von Innogy und damit einer Marke, die 2016 mit ehrgeizigen Plänen an den Start gegangen ist. Und in die das Team um Marketingchefin Sabine Schmittwilken seitdem viel Arbeit und Geld investierte, denn im Energiesektor eine neue Marke aufzubauen, ist eine Herausforderung für sich. Mit dem neuen Unternehmen wollte sich RWE für die Zukunft aufstellen, bündelte dort die Geschäftsbereiche Erneuerbare Energien, Netz & Infrastruktur und Vertrieb im In- und Ausland. Im Herbst 2016 ging Innogy an die Börse, RWE hielt bisher die Mehrheit von 76,8 Prozent.
Die neu entwickelte Marke sollte das Image verbessern, für Innovation, Energy und Technology stehen - und versprach einen kompletten Neustart. Das Unternehmen arbeitet viel mit Startups zusammen und forscht an neuen Lösungen für Themen wie Smart Home oder Energiegewinnung. Eine moderne Marke, die im September 2016 mit einem großen Kampagnenaufschlag quer durch alle Kanäle eingeführt wurde. Das markante Corporate Design stammt von Jung von Matt/Brand Identity. Die klassische Kommunikation kam von Scholz & Friends Berlin. Der Absender blieb zunächst geheim, die Teaserkampagne #Restart stellte vorab die Frage: "Was würdest du tun, wenn du noch einmal neu anfangen könntest?"
Zukunft ungewiss
Jetzt gibt es wieder einen "Neuanfang" für die Beschäftigten, die laut "Handelsblatt" von den Plänen völlig überrascht wurden und nun um ihre Jobs bangen. Auswirkungen müssen auch die Dienstleister fürchten, die Innogy markentechnisch bisher betreuen. Was genau die Übernahme für sie bedeutet, wird sich noch herausstellen. Denn noch müssen die Wettbewerbshüter dem Deal zustimmen. Und auch dann werde es noch mindestens eineinhalb Jahre dauern, bis die Transaktion abgeschlossen ist, wie Eon auf Nachfrage mitteilt. So lange bleibe Innogy als eigenständiges Unternehmen bestehen. Was dann aus der Marke Innogy wird, kommentiert Eon noch nicht.
Mit der bisherigen Marke verschwindet auch ein Big Spender: Allein bei den Buchungen in den klassischen Werbekanälen TV, Radio, Print und Außenwerbung lagen die gesamten Bruttoausgaben von Innogy in den Jahren 2016 und 2017 bei rund 85 Millionen Euro, wie das Marketingberatungsunternehmen Ebiquity für das "Handelsblatt" errechnete. Das Wirtschaftsblatt zitiert außerdem Markenexperte Walter Brecht, Managing Partner der Markenberatung Spirit for Brands, der die Marke Innogy in punkto Bekanntheit und Präferenz gleichauf mit der Traditionsmarke Eon sieht. Den Markenwert von Innogy beziffert er auf satte 1,2 Milliarden Euro. Zum ihrem wohl baldigen Ende sagt Brecht: "Einem Markenberater schmerzt dabei das Herz".
Ein TV-Spot aus der Produktkampagne von Innogy aus dem Jahr 2017:
Einige Fakten zum Eon-RWE-Deal
Wie viele Kunden versorgen Eon und Innogy mit Strom und Gas?
Innogy hat in Deutschland 2017 rund 7,8 Millionen Kunden mit Strom und Gas versorgt, etwa 200.000 weniger als im Jahr zuvor. Eon gibt die Zahl seiner Strom- und Gaskunden in Deutschland mit rund sechs Millionen an. In den Zahlen sind aber nicht nur private Abnehmer enthalten. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes rund 41 Millionen Privathaushalte.
Welche Auswirkungen haben die Pläne auf die Verbraucher?
Negative Folgen erwarten Marktbeobachter zunächst nicht. "Die Alternativen und der Wettbewerb sind groß genug", sagt beispielsweise der Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW, Udo Sieverding. Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, hatte bereits im vergangenen Jahr gesagt, dass im Geschäft mit Standardkunden "kein Anbieter mehr marktbeherrschend ist". Eon hatte schon 2016 weniger Strom an Privat- und kleinere Geschäftskunden abgesetzt. Ein Grund dafür sei der starke Wettbewerb gewesen. Auch Innogy macht den Wettbewerb für den Kundenrückgang verantwortlich. Jedoch mahnt der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Klaus Müller, mit Blick auf die Preise auch eine genaue Prüfung der Aufteilung an.
Das Vergleichsportal Check24 erwartet vom Deal zwischen Eon und RWE eher keine Nachteile für die Endkunden. "Es gibt genügend günstige Alternativanbieter", sagt Geschäftsführer Oliver Bohr. Deutschlandweit könnten Verbraucher im Durchschnitt unter 180 Versorgern auswählen, beim Gas seien es im Schnitt 129 Anbieter.
Welche Rolle spielen RWE und Eon bei der Stromerzeugung?
Sie ist nicht mehr ganz so mächtig wie einst. Die "Marktmacht bei der Erzeugung zerbröselt", sagt der Wettbewerbsrechtler Justus Haucap. Laut der Monopolkommission - Beratungsgremium der Bundesregierung - ist der Marktanteil der vier großen Stromproduzenten RWE, Eon, EnBW und Vattenfall von 62 Prozent im Jahr 2014 auf 54 Prozent im Jahr 2016 gesunken. RWE wird nach Einschätzung des Vorsitzenden der Kommission, Achim Wambach, als Anbieter wegen der angestrebten Versorgungssicherheit durch konventionelle und erneuerbare Energie aber an Gewicht gewinnen, wie er der "Rheinischen Post" sagte.
So präsentiert sich die Marke Innogy in einem Online-Video:
Eon soll die Stromnetze von Innogy übernehmen. Welche Folgen hat das?
Stromnetze werden regional als natürliches Monopol bezeichnet, weil ihr Betrieb sich - wie bei vielen anderen Infrastrukturen auch - in der Regel günstiger durch nur einen einzigen Anbieter als durch mehrere gewährleisten lässt. Trotzdem können die jeweiligen Betreiber die Netzentgelte, die mehr als 20 Prozent des Strompreises ausmachen, nicht nach Gutdünken festsetzen. Die Netze werden von der Bundesnetzagentur reguliert. Sie hat die staatlich garantierten Renditen für die Betreiber um gut zwei Milliarden Euro für die kommenden fünf Jahre gekürzt. Dagegen sind rund 1100 Stadtwerke und andere Netzbetreiber vor Gericht gezogen. Eine Entscheidung soll noch im März fallen.
Welche Folgen hat die geplante Zerschlagung von Innogy für die Beschäftigten?
Der Energiekonzern Eon rechnet nach der Übernahme des Netz- und Vertriebsgeschäfts der RWE-Tochter Innogy mit dem Abbau von bis zu 5000 Arbeitsplätzen. Das seien weniger als sieben Prozent der insgesamt deutlich über 70.000 Stellen bei der dann erweiterten Eon, teilten Eon und RWE am Montagabend mit. Gleichzeitig rechnet Eon damit, im kommenden Jahrzehnt Tausende neue Arbeitsplätze schaffen zu können. Die Gewerkschaften scheinen aber keine allzu großen Befürchtungen vor einen Jobabbau zu haben. Verdi und IG BCE begrüßten die Pläne von Eon und RWE. Sie könnten "langfristig tarifgebundene Arbeitsplätze erhalten und sichern", sagte Verdi-Chef Frank Bsirske. (fs mit Material von dpa)