Der Einstieg branchenfremder Institute in das Feld multimediale Journalistenausbildung dokumentiert die dramatische Umbruchsituation des Berufsbilds. Wie die optimale Qualifizierung angehender Journalisten angesichts digitaler Herausforderungen aussehen könnte, ist in der Branche umstrittener denn je. „Die Entwicklungen der vergangenen 15 Jahre, die sich unter dem Stichwort Web 2.0 in den letzten Jahren noch einmal beschleunigt haben, haben beinahe alle Gewissheiten der herkömmlichen Journalistenfortbildung zum Wanken gebracht“, registriert Sven König, Geschäftsführer der Akademie des Verbands deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ).

Während die Verlage in Sachen Multimedia weiterhin eigene Ausbildungskompetenz reklamieren, sind Autoren der Web-2.0-Szene deutlich skeptischer. Manch junger Autor, der den Journalismus im Umfeld von Blogs und Foren erlernt hat, betrachtet die Angebote der Etablierten äußerst kritisch: „Der Journalistenberuf hat sehr gelitten. Was ich von den Freunden höre, die heute in den Medien arbeiten, zum Beispiel in den Regionalzeitungen – da dreht sich mir der Magen um“, sagt Joel Kaczmarek, Chefredakteur des Internet-Magazins Gründerszene.de. Die Kritik ist nachvollziehbar: Personalabbau bei Zeitungen und Zeitschriften habt vielerorts dazu geführt, dass Volontäre zwar unter hohem Druck multimedial produzieren dürfen, dabei aber wenig Unterstützung erfahren. Da manch älterer Redakteur in Sachen Web 2.0 nur mäßig kompetent ist, lautet das Prinzip mehr denn je „learning by doing“.

Arbeitgeber sehen das allerdings anders. „Selbstverständlich haben die Verlage die Bedeutung des digitalen Publizierens für ihre Zukunft erkannt und in allen Bereichen darauf reagiert, auch in der Ausbildung“, betont Anja Pasquay, Sprecherin des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Technische Aspekte der Ausbildung dürften auch im Multimedia-Zeitalter nicht überbewertet werden: „Zunächst einmal geht es bei der Journalistenausbildung um die Beherrschung des Handwerks wie etwa klare Sprache, guter Stil, saubere Recherche oder die Fähigkeit, eine Meinung nachvollziehbar zu begründen“, glaubt Pasquay. Ein hohes Ausbildungsniveau ortet die Verbandssprecherin nicht nur in den Volontariatsstellen der Redaktionen, sondern auch in Journalistenschulen wie der Axel-Springer-Akademie oder der Journalistenschule Ruhr der WAZ-Gruppe.

Die Journalistenschulen großer Verlage sind zwar nach wie vor gefragt, ihre Konditionen allerdings nicht immer überzeugend: Der Deutsche Journalistenverband (DJV) kritisiert die zu geringe Entlohnung der Nachwuchskräfte: „Die Volontäre des WAZ-Konzerns sind Schüler der Journalistenschule Ruhr und werden untertariflich bezahlt. Ähnliches gilt für die Axel-Springer-Akademie“, moniert die stellvertretende DJV-Sprecherin Eva Werner. Auch auf anderen Ebenen sind Berufseinsteiger in den Verlagen längst mit Lohndruck konfrontiert: Tarifumgehungen in Form von Outsourcing und Leiharbeit sowie Gehälter 20 Prozent unter Tarif sind bei vielen Tageszeitungen inzwischen Standard und treffen vor allem Volontäre und Jungredakteure.

Doch auch hinsichtlich der Qualität der Ausbildung in den Verlagen sind Zweifel angebracht. Die Vorbereitung auf die digitale Zukunft sei häufig unzureichend, berichten Insider, die nicht nur Mängel bei der Volontärsausbildung, sondern auch bei der Qualifizierung von Führungskräften registrieren: „Eine gezielte Aus- und Weiterbildung sollte den crossmedialen Workflow im Blick haben. Das findet aber auch in großen Verlagen nur unzureichend statt. Vielmehr wird weiter nach Prinzipien klassischer Personalentwicklung geschult“, bilanziert ein Unternehmensberater, der in der Branche eine aktive Weiterbildungskultur vermisst: „Die Arbeitgeber sollten mehr zur Weiterbildung anregen, etwa durch großzügige Vergabe von Bildungsgutscheinen.“

Dass die Verlage angesichts wachsender digitaler Konkurrenz vergleichbare Angebote für ihre Mitarbeiter entwickeln, steht nicht zu erwarten. Spardruck, Personalabbau und fehlende Experimentierlust lassen vielerorts ein Festhalten an althergebrachten Ausbildungsstandards erkennen. Der seit jeher ungeregelte Zugang zum Journalisten­beruf macht es Einsteigern vor diesem Hintergrund nicht leichter.

Allerdings lassen sich auch in den von Sparzwängen gebeutelten Zeitungsverlagen attraktive crossmediale Ausbildungswege finden. Die Schwäbische Zeitung in Leutkirch beispielsweise hat in den vergangenen Jahren Standards entwickelt, die auch bei externen Beobachtern Anerkennung finden. Die Inhalte der Volontärsausbildung werden durch ein umfassendes Curriculum genau strukturiert, die konkreten Lerninhalte und -ziele von den Ausbildungsleitern regelmäßig überprüft. Bereits die Bewerber durchlaufen ein Assessment-Center. Crossmediale Kompetenz vermittelt auch der Regionalfernsehsender des Blatts, für den die Volontäre allein elf Monate tätig sind.

Chefredakteur Ralf Geisenhanslüke ist von der Notwendigkeit crossmedialer Ausbildungskompetenz überzeugt. Angesichts der aktuellen Umbruchsituation der Branche sei es notwendig, dass die Verlage ihr Profil als kompetente Ausbilder schärfen: „Das Volontariat ist mehr denn je das Maß der Dinge“, betont der Journalist. Allerdings ist auch die Ausbildung bei der Schwäbischen Zeitung nicht ohne Wermutstropfen: Die sonst übliche zweijährige Ausbildung verlängert sich durch die TV-Tätigkeit auf drei Jahre. Auf ihr erstes Redakteursgehalt warten die Berufsanfänger somit ein Jahr länger.


Autor: Martin Jahrfeld

Martin Jahrfeld ist freier Journalist in Berlin und schreibt über Medien und Medienwirtschaft, Marken und Marketing, Personal und Personalmanagement, Bildung und Karriere, Abenteuer und Alltag.