
Karriere in der Fremde
Frauen, die beruflich ins Ausland gehen, haben bessere Aufstiegsmöglichkeiten. Denn dort sind die Hierarchien häufig flacher als in Deutschland. Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede sind zusätzliche Herausforderungen. Im W&V-Report schildern drei Kreative ihre Erfahrungen.
Frauen, die beruflich ins Ausland gehen, haben bessere Aufstiegsmöglichkeiten. Denn dort sind die Hierarchien häufig flacher als in Deutschland. Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede sind zusätzliche Herausforderungen. Im W&V-Report schildern drei Kreative ihre Erfahrungen.
Sie wollte immer schon in der Welt herumkommen. Deshalb machte Anuschka Wiese, Junior-Kontakterin mit einem Grundstudium des Instituts für Marketing und Kommunikation in der Tasche, vor zehn Jahren ernst: Sie packte ihre Koffer und ging nach London – mit nur 300 Mark in der Tasche. „In Deutschland herrschte schon damals Jobflaute, ich wollte Marketing studieren, aber die Wartezeit an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft war lang, das Studium in den USA zu teuer und London war der Mittelpunkt der Werbewelt. Also bewarb ich mich an der South Banking University für ein Studium.“
Rückblickend ganz schön naiv, mit so wenig Geld in der Hinterhand zu gehen, sagt die heute 33-Jährige. Doch sie hat es geschafft: Nach vielen beruflichen Stationen und einem zweijährigen Aufenthalt in New York lebt sie wieder in London und arbeitet in ihrem Traumjob als Client Service Managerin der renommierten Packaging Design Agency JKR. Wer ins Ausland geht, ist häufig von seiner Firma entsandt, sucht Tapetenwechsel, Inspiration oder einfach bessere Arbeitsbedingungen. Frauen sind dabei generell immer noch in der Minderheit: „Weniger als zehn Prozent aller von Firmen ins Ausland Entsandten sind weiblich. Aber die Tendenz ist leicht steigend“, sagt Brigitte Hild, die mit ihrem Unternehmen Going Global Firmenmitarbeiter und ihre Familien vor, während und nach ihrem Auslandsaufenthalt betreut. Andere Länder seien mit etwa 20 Prozent aber schon weiter, so Hild, die auch als Buchautorin bekannt ist. „In Deutschland tut man sich mit weiblichen Führungskräften noch schwer. Zudem wollen nach wie vor die wenigsten Männer beruflich zurückstecken, um ihre Frau ins Ausland zu begleiten.“
Dabei bringt der Auslandsaufenthalt Frauen unter Umständen einen Karriere-Aufstieg, weil dort die berühmte gläserne Decke nicht oder nicht so stark ist. Außerdem können sich Mitarbeiter dort leichter nebenberuflich weiterbilden wie etwa die 42-jährige Tanja Lindermeier, die Forscherin und Produktentwicklerin in einem multinationalen Konsumgüter-Konzern ist. „Wer immer wieder interessante, neue Tätigkeiten ausüben möchte, landet zwangsläufig im Ausland. Besonders, wenn man für ein Unternehmen arbeitet, das seinen Hauptsitz nicht in Deutschland hat.“
Vor fünf Jahren wechselte die promovierte Chemikerin innerhalb des Unternehmens für zwei Jahre nach Paris. Dann ging sie ins New Yorker Headquarter der Firma. In Frankreich war sie auf privater Ebene nicht warm geworden. „Da war so etwas wie eine unsichtbare Wand gegenüber Fremden. Irgendwann habe ich mich enttäuscht einer Gruppe von Expats angeschlossen.“ In dieser Zeit gründete sie auch ihr Frauennetzwerk „Global Dinner Network“ (s. Interview), durch das sie viele Kontakte knüpfte. In New York dagegen blühte sie auf: Neben der Arbeit hat sie ein Abendstudium für Marketing und Management für Kosmetik und Parfüms am New York Fashion Institute aufgenommen.
Erfolge im Ausland sind hart erarbeitet. Das hat Verpackungsdesignerin Anuschka Wiese zu spüren bekommen: „Meine deutsche Berufserfahrung hat in London überhaupt nicht gezählt. So arbeitete ich zunächst in einem kleinen kreativen Design-Studio in East London und habe mich Stück für Stück mit unterschiedlichsten Tätigkeiten hochgearbeitet – von Fashion-Shows und Installationen über Unternehmensbroschüren und Messestände bis hin zu Geschäftsberichten. Doch nicht nur das Fachliche spielt eine große Rolle, sondern auch interkulturelle Kompetenzen: „In England muss man sehr höflich sein und Kritik indirekt äußern. Kommuniziert man so direkt wie in Deutschland, verletzt man seine Kollegen. Engländer sind pünktlich, und der Team-Gedanke ist äußerst wichtig. In den USA hingegen herrscht Ellenbogenmentalität. Wissen im Unternehmen wird nicht geteilt – der Druck, seine Arbeit zu behalten, ist so groß, dass man alles für sich behält, um fürs Unternehmen ‚wertvoller‘ zu erscheinen.“ Die Hierarchien in England oder den USA seien flacher als in Deutschland.
Extreme Kultur-Unterschiede, hohe sprachliche Barrieren, weil sie kein Chinesisch spricht, und ein horrendes Arbeitspensum – das ist derzeit Claudia Wölfles Arbeitsalltag. Dennoch ist sie als Client Service Director in der Werbeagentur BBDO/Interone in Peking glücklich.
2008 bekam die 42-jährige, freiberufliche Projektmanagerin aus Berlin das Angebot, mit ihrem Freund, dem Executive Creative Director Kay Koester, Kunden wie BMW in China und Korea sowie Mini in China und Hongkong im Online-Bereich zu betreuen. „Sicher das Beste, was uns passieren konnte, denn der asiatische Markt umfasst völlig andere Dimensionen. Wo kann man schon Specials auf Social-Media-Plattformen umsetzen, die in der Woche 850 000 Fans ansprechen?
Wölfle fühlt sich in China sehr wohl. „Es ist westlicher als erwartet, die Menschen sind sehr freundlich. Auch wenn es mit der Sprache nicht immer so gut klappt, ist es sehr spannend und aufregend.“ Irgendwann zurückzugehen, das steht für Tanja Lindermeier und Claudia Wölfle schon fest. Allerdings noch nicht jetzt.