Gastbeitrag:
Kommunikation: Adidas kann von Nike viel lernen
Gerade in einer Krise können sich Marken beweisen oder eben versagen. Christian Henne über den entscheidenden Unterschied zwischen zwei Giganten der Sportwelt und die Lehre für andere Brands.
Die Corona Pandemie zwingt Unternehmen, sich von Standards zu lösen und in der Krise Antworten zu finden. Nicht zuletzt, um das eigene Geschäft zu sichern. Dabei liegen Chancen und Risiken nah beieinander. Beste aktuelles Beispiel: die beiden größten Sportartikler Nike und Adidas.
Adidas sieht sich aktuell heftiger Kritik ausgesetzt, seit bekannt wurde, dass der Konzern aus Herzogenaurach Mieten vorerst nicht zahlen will. Und vermutlich sind auch die Vermieter der Flagship Stores keine kleinen Mittelständler. Es passt ins Bild, dass der Sportartikel-Riese derzeit offenbar auch Dienstleister gerade im Agenturbereich nicht mehr bezahlen will. Was Adidas macht ist zumindest mit Blick auf die Mietgeschichte völlig legal. Das Beispiel aber zeigt, dass nicht alles, was rechtlich zulässig ist, aus Sicht einer Corporate Brand auch Sinn macht. Zur Governance gehört heutzutage in Zeiten großer Transparenz, diese Wirkung abzusehen und zu bedenken.
Besonders brenzlig wird es dann, wenn sich die Politik einmischt.
Diese Gefahr besteht heutzutage zunehmend, denn PolitikerInnen nutzen Meldungen wichtiger Unternehmen immer häufiger für die eigene politische Agenda. In der aktuellen Situation ist die politische Brisanz noch mal höher, weil alle Wirtschaftsbelange wichtiger Teil der politischen Maßnahmen in der Corona Pandemie sind.
Nike produziert Gesichtsmasken!
Während der größte Konkurrent also mit heftig Kritik umgehen muss, geht Nike einen ganz anderen Weg. Die Firma, die seit Gründung den Slogan „Just do it“ nutzt, hat wie einige andere Sportartikelhersteller angekündigt, Gesichtsmasken für den medizinischen Gebrauch herzustellen. Der Bedarf hieran ist gerade in der westlichen Welt riesig. Unternehmen, die jetzt Waren oder Medikamente für die Bekämpfung der Corona Pandemie produzieren, sind hochwichtig. Ohne sie funktioniert der Kampf gegen Corona nicht. Und sie dürften einen enormen Image-Gewinn erfahren, weil sie einen wertvollen gesellschaftlichen Beitrag leisten, der zudem für jeden einzelnen Verbraucher wichtig sein kann.
Frage der DNA
Nike fällt nicht das erste Mal in dieser Form auf. Rund um die Integrationsdiskussionen weltweit und speziell in den USA hat Nike 2018 eine großangelegte Kampagne mit Colin Kaepernick gefahren. Hier ging es darum, gegen Rassismus und für Diversity Stellung zu beziehen. Indirekt eine klare Botschaft gegen US-Präsident Donald Trump. Gleichzeitig produzierte Nike Hijab-Kollektionen und bewarb diese offensiv.
Nike beweist immer wieder, dass das Unternehmen seiner DNA folgt. Zunächst war diese auf Herausforderung und Rebellion getrimmt (siehe Andre Agassi mit Jeans auf dem Tenniscourt, Tiger Woods im Golf). Es ging immer darum, mit Konventionen zu brechen. Als mittlerweile weltgrößter Sportartikelhersteller ist diese Art von Rebellion schwierig geworden, man ist selbst Mainstream. Wie bei Kaepernick aber schwingt die Rebellion immer mal wieder mit.
Was in jedem Fall geblieben und damit ein klarer Unterschied zu Adidas ist: Nike ist mutig, schnell und konsequent. Das Unternehmen will wenn dann alles als erstes oder besser als die anderen machen. Dafür muss es schnell entscheiden. Und dann konsequent handeln und kommunizieren. Nike hat schon immer verstanden, wie wichtig öffentliche Wirkung für die Marke ist. Dieses Mindset ist aktuell mehr gefragt denn je.
Nike bestimmt die Agenda offensiv und positiv. Ob Nike selbst Mieten aussetzt, tritt erst einmal in den Hintergrund beziehungsweise würde möglicherweise weniger kritisch gesehen.
Kein Marketing Bullshit – substanzieller Beitrag!
Von Nike kann nicht nur Adidas lernen. Im Moment übertreffen sich die großen Marken mit Logoveränderungen, die Abstand signalisieren sollen. Ich halte dies für strategisch nicht klug im Sinne der Marke – vor allem aber ist es kein substanzieller Beitrag. Andere Unternehmen wie Bosch oder Trigema stellen die Produktion auf benötigte Güter um.
Haltung wird schon länger als essenzieller Bestandteil der Marke betrachtet. Unternehmen können beweisen, ob Haltung für sie mehr ist als eine Marketing-Maßnahme. Dazu würde gehören, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, seine Geschäftspartner fair zu behandeln und zu überlegen, wie man seiner Verantwortung gerecht werden kann.
Wir sind in einer Krise. Hier können sich Marken beweisen. In ihrem Handeln. Und in ihrer Kommunikation. Es wird Gewinner geben. Und Verlierer.
Autor Christian Henne (45) ist Gründer und Geschäftsführer des Munich Digital Institute. Zwischen 2001 und 2006 war er im Bereich der Unternehmenskommunikation intern und extern für Nike tätig.
Mehr zum Thema finden Sie in unserem Liveblog: