
Hermann-Josef Tenhagen:
Kostenlos-Konkurrenz für die Stiftung Warentest
Mit dem Abgang von "Finanztest"-Chef Hermann-Josef Tenhagen verliert die Stiftung Warentest nicht nur ihren bekanntesten Journalisten. Der 51-Jährige wechselt ausgerechnet zu einem Konkurrenten, der dem florierendem Digitalgeschäft von Warentest das Wasser abgraben könnte.
Mit dem Abgang von "Finanztest"-Chef Hermann-Josef Tenhagen verliert die Stiftung Warentest nicht nur ihren bekanntesten Journalisten. Der 51-Jährige wechselt ausgerechnet zu einem Konkurrenten, der dem Digitalgeschäft von Warentest das Wasser abgraben könnte.
Noch ist die Stiftung Warentest das große Vorbild für zahlreiche Verlagsmanager: Lange vor dem Springer-Konzern hat sie Paid Content als funktionierendes Geschäftsmodell entwickelt. Aus zwei Gründen. Erstens, weil sie im Netz von Anfang an nichts zu verlieren hatte. Die Zeitschriften "Test" und "Finanztest" verzichten grundsätzlich auf Werbeerlöse, darum konnte die Stiftung ohne Rücksicht auf Reichweite digitale Bezahlschranken aufbauen. Zweitens, weil der Warentest-Content weitgehend konkurrenzlosen Nutzwert bietet. Darum zahlen Leser für Testergebnisse im Netz, auch wenn der digitale Umsatz 2012 noch weit vom Print-Niveau entfernt war und auch im vergangenen Jahr trotz beeindruckender Steigerungsraten nicht an das Warentest-Geschäft mit gedruckten Büchern herankam.
3,36 Millionen Euro hat die Stiftung Warentest 2013 über kostenpflichtige Bezahlinhalte im Netz hereingeholt, die Zahl der Online-Abos stieg gegenüber 2012 um 40 Prozent. Aber mit dem gut gehenden Paid-Content-Geschäft könnte es bald vorbei sein, denn mit dem gemeinnützig organisierten Verbraucherportal Finanztip.de wird das langjährige Warentest-Zugpferd Tenhagen in den kommenden Monaten zum gefährlichen Konkurrenten.
Denn anders als bei der Warentest-Plattform test.de gibt es bei Finanztip.de Tests und Nutzwert gratis. Tenhagen selbst spricht von "exzellenten Möglichkeiten, Millionen Rat suchende Verbraucher zu bedienen". Finanziert wird das alles durch Affiliate Marketing. Finanztip, ein Projekt der millionenschweren Interhyp-Gründer Robert Haselsteiner und Marcus Wolsdorf, profitiert von Verlinkungen zu Finanzdienstleistern, Stromanbietern und Telekomunikationsunternehmen. So ist der Plan.
Noch ist die Reichweite von Finanztip überschaubar. Laut IVW kam die Seite im Mai 2014 auf 785.000 Visits. Tenhagen, der am 1. Oktober als Chefredakteur und Geschäftsführer der gemeinnützigen Finanztip GmbH antritt, hat also eine sportliche Aufgabe vor sich. Er muss aus der Special-Interest-Seite ein Massenmedium machen. Gelingt ihm das, würde ausgerechnet das Jubiläumsjahr "50 Jahre Stiftung Warentest" als Annus Horribilis enden. Die peinliche Niederlage gegen Ritter Sport hat das Vertrauen in die Stiftung bereits erschüttert. Im Kampf gegen die künftige Gratis-Konkurrenz Finanztip.de und ihren telegenen Chef Hermann-Josef Tenhagen könnte es auch wirtschaftlich ans Eingemachte gehen.
Vom Print-Geschäft will Finanztip übrigens die Finger lassen. Für den Investor Haselsteiner ist die Zukunft des Verbraucherjournalismus komplett digital.
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