
Langzeitstudie bescheinigt dramatischen Ansehensverlust der Wirtschaft
Das Berliner Marktforschungsinstitut A&B Framework hat ermittelt: Die Horrormeldungen der vergangenen Monate haben das Vertrauen der Bürger in Säulen der Gesellschaft grundlegend erschüttert.
Die Wahrnehmung der aktuellen Wirtschaftskrise hat sich in den Augen der Bundesbürger "dramatisch verändert“: "Wurde sie im September 2008 häufig noch als behebbare Störung einer stabilen Wirtschaftsordnung gesehen, erleben die Menschen sie heute als drohenden Kollaps eines Systems.“ Zu diesem Schluss kommt eine Langzeitstudie des Berliner Marktforschungsinstituts A&B Framework.
"Das Bild der Wirtschaft als kraftstrotzendes Zentrum der Gesellschaft hat ausgedient“, so Framework-Geschäftsführer Thomas Strätling. "Erstaunlich ist: Der damit einhergehende Reputationsverlust führender Konzerne und Manager färbt auch aufs Ansehen von Politik und Wissenschaft ab.“ Die Horrormeldungen der vergangenen Monate – EU-Staaten am Rande des Bankrotts, Bankenpleiten en masse, Insolvenzen prominenter Unternehmensmarken – haben das Vertrauen in Säulen der Gesellschaft grundlegend erschüttert. "Es ist der völlige und anhaltende Kontrollverlust aller relevanten Akteure mit seinen beispiellosen Konsequenzen, der die Menschen nachhaltig schockiert“, stellt die Untersuchung fest.
Strätling ergänzt: "Noch gehen Bundesbürger zwar davon aus, dass der Staat die Grundsicherung gewährleistet. Aber parallel verwirklichen sie in ihrem privaten Umfeld Gegenentwürfe, erfinden Wirtschaft neu.“ Mehr als 20 Prozent verdienen sich ein Zubrot, indem sie im Internet Waren oder Dienstleistungen feilbieten. Jeder Fünfte hat schon mal schwarz gearbeitet. "Andere tauschen bargeldlos Leistungen nach dem Motto: ‚Reparierst du mein Auto, gebe ich deinen Kindern Mathe-Nachhilfe’", berichtet Strätling. "Viele wären nicht in der Lage, ihren Lebensstandard zu halten, wenn nicht die eigene Privatwirtschaft wesentlich dazu beitragen würde.“ Diese "Netzwerkwirtschaft“ setzt der Untersuchung zufolge heute die "Benchmarks für Glaubwürdigkeit und die Reputation von Unternehmen“.
Die Konsequenz für Markenartikler? Weg von der "Fokussierung auf finanzielle Performance“, hin zum Unternehmertum, das "mit Freude an der Sache, mit Leidenschaft, aber auch mit Sinn und Verstand“ zu Werke geht. Abschied auch von "künstlicher Emotionalisierung“ und Besinnung darauf, dass Kommunikation, nicht zuletzt werbliche, "auf Verständigung, nicht auf Belästigung“ zielt. "Nur so können Unternehmen verloren gegangenes Renommee zurückgewinnen“, unterstreicht Strätling.
Die Studie, die Mitte Juli erscheint, basiert auf 100 psychologischen Tiefeninterviews von jeweils zwei Stunden Dauer, die A&B Framework zwischen Juni 2007 und Juni 2009 durchführte. Ein zehnseitiges Abstract lässt sich kostenlos anfordern unter t.straetling@a-b-framework.de
Martin Bell