
Interview:
Lanz-Gast Matthias Onken: "Macht er so weiter, schießt er sich selbst ab"
Wenn jemand den Fall Markus Lanz einschätzen kann, dann Matthias Onken: Der frühere "Bild"-Redaktionsleiter ist Kommunikationsprofi mit langjähriger Promi-Erfahrung und saß 2013 selbst in der umstrittenen ZDF-Talkshow. Ein Interview über einen medialen GAU, seine Vorgeschichte und das Problem, das der Boulevard damit hat.
Wenn jemand den Fall Markus Lanz einschätzen kann, dann Matthias Onken: Der frühere "Bild"-Redaktionsleiter ist Kommunikationsberater mit langjähriger Promi-Erfahrung und saß 2013 selbst in der umstrittenen ZDF-Talkshow. Ein Interview über einen medialen GAU.
Matthias, du hast vor etwa einem Jahr selbst in der Talkshow von Markus Lanz gesessen. Wie hast du ihn als Gastgeber und Gesprächspartner wahrgenommen?
Auf das Gespräch mit mir hatte ihn die Redaktion gut vorbereitet. Er schien auch persönlich interessiert, hat mich ausreden lassen. Seine Fragen waren fokussiert auf die boulevardesken Aspekte meines Buches – was dem Format der Sendung geschuldet ist. Unterm Strich war das ein typischer Lanz.
Wie wirkt sein Gespräch mit Sahra Wagenknecht auf dich? Kannst du die Aufregung im Netz nachvollziehen?
Egal, wie ein Journalist ein Thema oder eine Person persönlich toucht, er hält immer einen gewissen Abstand zu seinen Interviewpartnern. Das 'Gespräch' mit Sahra Wagenknecht ist ein journalistischer GAU, ein Negativ-Beispiel par excellence für jede Journalistenschule: Lanz gibt jede Distanz auf, wirkt besessen davon, sein politisches Feindbild entlarven zu wollen, entlarvt mit seiner geifernden Art aber nur sich selbst. Die professionelle Sachlichkeit Wagenknechts kontert Lanz mit der Aufforderung, ihm doch bitteschön nicht mit Details zu kommen. Offenbar hat Lanz die redaktionelle Regie übernommen, jedenfalls legte er seine Moderationskarten immer wieder demonstrativ zu Seite. Schon vor knapp einem Jahr war Wagenknecht mit ihrem Buch zu Gast bei Lanz. Damals versuchte er sie als verblödet darzustellen, was ebenfalls misslang. Die Aufregung über das Interview kann ich bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen, die Forderung nach Absetzung ist überzogen. Aber: Macht Lanz so weiter, schießt er sich selbst ab.
Du bist ja selbst Kommunikationsberater. Was würdest du Lanz und dem ZDF jetzt raten? Wie sollen sie mit dem Shitstorm umgehen?
Um das professionell einzuschätzen, müsste ich mit ihm sprechen, die Hintergründe besser kennen. Wie ich ihn einschätze, wird er sich über die Sendung aber selbst am meisten ärgern. Das eigene Scheitern sollte er in einem Interview ehrlich bekennen und darlegen, warum ihn die Linken so auf die Palme bringen. Das würden viele nachvollziehen können und ihm den geplatzten Kragen vermutlich verzeihen. Verkehrt wäre, den Auftritt zu verteidigen oder auf Durchzug zu schalten. Grundsätzlich empfehle ich, keine Gäste einzuladen, denen der Moderator rhetorisch nicht gewachsen ist.
Wie sollten eigentlich Boulevard-Journalist auf spontane Empörungswellen im Netz reagieren? Müssen sie immer mitschwimmen oder kann man auch mal dagegenhalten?
Längst nicht jeder Shitstorm ist eine Geschichte wert. Die meisten Stürme haben sich schon wieder gelegt, bevor die ersten Zeilen dazu geschrieben sind. Die redaktionelle Linie muss individuell entwickelt werden. Den Boulevard kennzeichnet, dass er die Meinung der Straße wiedergibt – was nicht heißt, jede Stammtisch-Parole zu drucken. Der Fall Lanz ist insofern pikant, als dass sich hier zwei Feindbilder des Boulevard duelliert haben: der angeblich langweilige Gottschalk-Nachfolger und die politische Irrläuferin von links außen. Wer möchte sich da schon auf eine Seite schlagen?