
KOLUMNE VON BENEDIKT HOLTAPPELS:
Liebe Werbungtreibende, seid ehrlicher zu den Agenturen!
Wenn ein Pitch vorbei ist, gibt es in der Regel einen glücklichen Gewinner und ansonsten praktisch nur zweite Sieger. Jedenfalls, wenn man den watteweichen Absagen der Marketer glaubt. W&V-Gastautor Benedikt Holtappels fordert dringend mehr Ehrlichkeit.

Foto: GGH Mullen Lowe
Wenn ein Pitch vorbei ist, gibt es in der Regel einen glücklichen Gewinner und ansonsten praktisch nur zweite Sieger. Jedenfalls, wenn man den watteweichen Absagen der Marketer glaubt. W&V-Gastautor Benedikt Holtappels, CEO der Hamburger Agentur GGH Mullen Lowe, fordert dringend mehr Ehrlichkeit.
Von Benedikt Holtappels
Es ist schon hart genug, wenn man einen Pitch verliert. Noch härter ist es allerdings, wenn man nicht weiß warum. Gestern telefonierte ich mit einem befreundeten Kollegen. Wir waren jüngst gemeinsam in einer bestimmten Wettbewerbspräsentation und teilten beide das Schicksal, verloren zu haben. Interessanterweise bekamen wir beide einen Absagebrief mit genau dem gleichen Wortlaut. Nämlich, dass die Entscheidung sehr knapp war und wir uns als zweiter Sieger fühlen könnten. Komisch nur, dass unser Kollege und sein Team ebenso auf Platz zwei landeten wie vermutlich all die anderen Agenturen auch, die ausgeschieden sind.
Ich unterstelle mal, der Werbungtreibende hat es mit uns gut gemeint. Wollte nicht verletzend sein, weil er weiß, wieviel Schweiß, Blut und Tränen sowie Investitionen Agenturen in einen Pitch stecken. Aber diesen Satz, wie knapp eine Entscheidung war, hat mich am Ende noch nie über die verlorene Präsentation hinweggetröstet. Denn eine watteweiche Absage mit Samthandschuhen bringt uns keinen Millimeter weiter. Wir können aus solchen allgemeinen Floskeln schlicht nichts lernen. Und das muss doch immer das Ziel sein, selbst wenn man sich nur in einem Pitch begegnet: gegenseitig voneinander zu lernen.
In den letzten Monaten ist viel über Vertrauensverlust in der Branche diskutiert worden. Darüber, dass Unternehmen ihren Agenturen immer weniger zutrauen. Gerade hat die Beratung Aprais eine Studie veröffentlicht, die zeigt, wie die Zufriedenheit der Werbungstreibenden mit ihren Agenturen weiter sinkt. Natürlich liegt das auch an der zunehmenden Komplexität unseres Geschäfts und der Aufgaben, die keine einfachen Nullachtfünfzehn-Antworten mehr zulassen. Für viel entscheidender halte ich aber die Entwicklung, nicht wirklich offen und ehrlich miteinander zu reden. Als Agentur kann ich nur besser werden und Projekte anders gestalten, wenn ich weiß, woran es hakt.
Vertrauen ist keine Einbahnstraße. Und beginnt mit gegenseitiger Ehrlichkeit beim Arbeits-Feedback. Nur so können Partnerschaften auf Augenhöhe entstehen, die beide Seiten weiterbringen: Das Geschäft des Kunden, weil Agenturen mit ihrem Know-how verdammt viel zur Wertschöpfungskette der Wirtschaft beitragen können. Und die Entwicklung von Agenturen, weil ehrliches Feedback zur notwendigen Feinjustierung führt - etwa beim Prozessmanagement, der Teamaufstellung und dem Mix von Disziplinen und Ressourcen.
So wie es für Agenturen in der Rolle als Kommunikationsberater mitunter schmerzhaft sein kann, Kunden auch mal sagen zu müssen, dass bestimmte Dinge nicht ratsam sind, so müssen Marketeers ebenso schonungslos mit der Wahrheit ihrer Agentur gegenüber sein. Fruchtbare, erwachsene Arbeitsbeziehungen entstehen durch Ehrlichkeit. Und Ehrlichkeit führt zu besseren Ergebnissen. Also liebe Werbungtreibende: Seid einfach ehrlich mit uns. Weil wir dann auch viel besser unserer Rolle als Berater gerecht werden können. Und davon profitiert ihr genauso wie wir.
Über den Autor:
W&V-Kolumnist Benedikt Holtappels ist Mitgründer und CEO der Hamburger Agentur GGH Mullen Lowe