Interview mit Mr. Magazine:
Magazin-Guru Husni: "Leser kehren zum treuen Print-Partner zurück"
Einen mutmachenden Trend macht US-Printkenner Samir Husni aka Mr. Magazine in den USA aus: Leser kehren zu Print zurück. Die Gründe erläutert er im Interview mit W&V-Autorin Manuela Pauker.
Samir Husni aka Mr. Magazine ist Direktor des Magazine Innovation Center an der Universität von Mississippi. Dort leitet er die School of Journalism und unterrichtet auch. Professor Husni, der eifrig zumThema bloggt, steht hinter Buchklassikern wie "Launch Your Own Magazine" voll mit Tipps für Verleger und überwacht in seinem "Launch Monitor" seit Jahren Leben und Sterben in der Printbranche. W&V-Autorin Manuela Pauker hat den US-Print-Guru im Interview mit dem Eindruck des neuen Gründerfiebers im US-Blätterwald konfrontiert.
Herr Husni, in Ihrer Magazin-Bilanz, dem Launch Monitor, stellen Sie fest, dass im ersten Halbjahr in den USA über 430 neue Titel gestartet wurden – deutlich mehr als im Vorjahr. Gibt es dabei einige interessante Trends?
Das Angebot ist wirklich unglaublich vielfältig. Was auch immer man sich vorstellen kann – es gibt garantiert ein Heft zu dem Thema. Bei den neuen Magazinen lässt sich aber eindeutig ein Trend zu Food und Gesundheit ausmachen. Einer der neuen Titel, "Dr Oz - The Good Life", hat sogar etwas geschafft, was zuletzt "O", das Magazin von Oprah Winfrey, im Jahr 2000 erreicht hat: Er war am Kiosk ausverkauft, der Verlag druckte eine zweite Auflage. Sehr beliebt sind außerdem neue Waffen-Magazine wie "Recoil", "Off Grid" oder "Trigger". Das ist allerdings ein Trend, der sich wohl in Europa nicht aufgreifen lässt…
Print bleibt trotzdem unter Druck. Ist die steigende Zahl der Launches wenigstens ein Zeichen dafür, dass die Industrie wieder Vertrauen in das Medium fasst?
Zumindest sieht es erstmals wieder so aus, als ob die Phrase "Print ist tot" beerdigt werden könnte. Natürlich geht es nicht allen Blättern gut. Aber auch für das digitale Business läuft es ja nicht nur glänzend. Mittlerweile ist es aber nicht mehr "entweder oder", sondern "zusammen" und "zusätzlich". Vom Erfolg von "Dr Oz - The Good Life", dem Magazin eines bekannten US-Fernseh-Arztes, haben Sie bereits erzählt.
Gibt es unter den Newcomern noch weitere Titel, denen Sie viel zutrauen?
"Porter", das Magazin der Online-Plattform Net-a-Porter, wurde von der Zielgruppe gut aufgenommen – zurecht, wie ich finde. Und auch "Closer" von Bauer kann funktionieren. Wer außer Bauer würde sich auch trauen, heutzutage in diesem Markt noch einen Wochentitel zu starten?
Einige US-Verlage gehen im Vertrieb neue Wege. So bietet Hearst die September-Ausgaben seiner Modeblätter "Elle", "Harper’s Bazaar" und "Marie Claire" mit Preisnachlass in einer "Fall fashion to-go Box" an, einem stabilen Tragekarton. Der Peopletitel "US" versucht, ältere Ausgaben im Umfeld aktueller Ausgaben anzubieten. Nur nette, aber aussichtslose Versuche?
Immerhin – sie probieren Neues aus. Und wir müssen Neues austesten, auch andere Wege im Verkauf. Die heutige Generation ist von schnellem Wechsel geprägt. Früher kaufte man sich vielleicht einmal im Leben ein neues Telefon. Wer heute nicht alle zwei Jahre ein neues Handy besitzt, wird als "alt" abgestempelt.
Sie reisen auch viel um die Welt und treffen dort auf neue Magazine. Sind Ihnen in jüngster Zeit hier herausragende Konzepte aufgefallen?
Eigentlich ist jede Zeitschrift mit einem "Neu"- oder "Erstausgabe"-Sticker für mich herausragend. Weltweit kommt täglich Neues, von Bauers "Retro" in Frankreich bis hin zum "National Geographic Traveller " in Australien … Ich bewundere die Blattmacher, die immer noch unerschütterlich an den Print-Markt glauben. Und es ist ja auch nach wie vor ein guter Markt. Der in der Gesellschaft auch nach wie vor eine Rolle spielt. Viele der großen Diskussionen, die in den USA zuletzt stattfanden, wurden von Print-Magazinen wie "Time" oder "Rolling Stone" angestoßen.
Was nichts daran ändert, dass die Verkäufe und Anzeigen weiter zurückgehen.
Aber das geschieht ja auch beispielsweise bei Apps und eBooks. Das Problem ist eigentlich nicht das Medium. Es sind wir selbst, das Publikum. Einige haben das Vertrauen in Print verloren und sich ohne großes Nachdenken in die Arme der verführerischen digitalen Geliebten gestürzt. So langsam, denke ich, wachen sie aber wieder auf und kehren zu ihrem treuen Print-Partner zurück. Und behandeln das Digitale künftig eher geschwisterlich.
Ein große Übersicht zur erstaunlichen Entwicklung auf dem US-Printmarkt finden Sie in Titelgeschichte der aktuellen Printausgabe der W&V (EVT: 25.08.). Abo?