
Benedikt Holtappels:
Marketing 2015: Probier's doch mal mit Service
Es müssen gar nicht immer die weltbewegenden Innovationen sein, die einen Kunden happy machen, findet W&V-Kolumnist Benedikt Holtappels. Marken sollten viel öfter etwas bieten, was außerhalb Deutschlands selbstverständlich ist: sehr guten Service.

Foto: GGH Lowe
Es müssen gar nicht immer die weltbewegenden Innovationen sein, die einen Kunden happy machen, findet W&V-Kolumnist Benedikt Holtappels, Geschäftsführer der Werbeagentur GGH Lowe, Hamburg. Marken sollten viel öfter etwas bieten, was außerhalb Deutschlands selbstverständlich ist: sehr guten Service.
Die Deutschen gehören zu den verwöhntesten Kunden der ganzen Welt. Das ergab eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Accenture. Sie erwarten nicht nur, dass das Produkt tipptopp ist, der Preis stimmt, sondern auch, schnell bedient zu werden. Wer das nicht erfüllen kann, wird schnell abgewählt. Und um dann neue Anbieter zu finden, orientiert sich der deutsche Shopper gerne an Kommentaren zu Produkten und Empfehlungen.
Deutschland ist für Verbraucher das Paradies. Wir haben die niedrigsten Preise bei Lebensmitteln, kostenlose Girokonten und die besten Flatrates beim Telefonieren. Für Unternehmen hingegen wird es immer schwieriger, Kunden zu gewinnen und dauerhaft bei Laune zu halten. Spannend ist, dass der Preis heute nicht mehr im Vordergrund steht, sondern die Vertrauenswürdigkeit des Unternehmens.
In Zeiten, in denen die Produktqualität auf einem irrsinnig hohen Niveau liegt und nicht mehr automatisch zur Differenzierung beiträgt, müssen Unternehmen daher verstärkt über Services nachdenken. In vielen Branchen wird der Löwenanteil der Umsätze längst mit Zusatzleistungen verdient. Und in Märkten wie USA oder Großbritannien ist Service längst fester Bestandteil der Markenstrategie. Auch deutschen Unternehmen dämmert langsam die Bedeutung eines wohl durchdachten Serviceprozesses. Nicht umsonst baut etwa Daimler rund um den Verkauf seiner Autos Angebote wie Taxidienste und Car-Sharing aus.
Besonders viel tut sich gerade in der Hotelbranche. Viele Gäste nervt das Schlange stehen an der Rezeption, wenn man ohnehin müde vom Tag im Hotel einläuft. Die französische Hotelkette Accor bietet Gästen schon seit einiger Zeit eine Check-in-App und will künftig neue Hotels ganz vom Empfangstresen befreien. Stattdessen sollen Hotelmitarbeiter mit mobilen Laptops auf die Gäste zugehen und so lästige Wartezeiten verhindern.
Die Hotelgruppe Four-Seasons arbeitet sogar laut einem "FAZ"-Bericht an einem Algorithmus, der aus früheren Buchungen erkennt, welche Zimmer und Matratzenart ein Gast bevorzugt. In nicht allzu ferner Zukunft könnte man per Smartphone sogar vorab Raumtemperatur, Lichtstimmung, Kopfkissenart, Musik und die Befüllung der Minibar beeinflussen. So dass sich ein Hotelzimmer dann wirklich wie ein zweites Zuhause anfühlt.
Auch weniger aufregende Branchen können von neuen Serviceangeboten profitieren. So bestellen immer mehr Deutsche im Internet. Zwei Drittel mindestens einmal im Monat und das vor allem aus Bequemlichkeit, was natürlich auch eine Studie festgestellt hat. Dabei schätzen es die Deutschen informiert zu werden, wann ihr Paket eintreffen soll. In Finnland ist die Post bei der Auslieferung einen Schritt weiter gegangen. So wird der Empfänger nicht nur informiert, wann das Paket kommt, sondern auch wie schwer es ist. Was bei sperrigen Gegenständen dazu führt, dass Pakete eher nach Hause umgelenkt werden. Wer will schon mit einem Riesenpaket in der U-Bahn nach Hause fahren? Einen weiteren Service-Unterschied könnten Zusteller machen, wenn Besteller etwa ein individuelleres Lieferzeitfenster wählen könnten.
Gerade die zunehmende Vernetzung von Off- und Online-Welt wird zum Lackmustest für die Unternehmen. Die reibungslose Synchronisation der verschiedenen Kundenkanäle wird heute von Kunden erwartet und kann zum K.O.-Kriterium werden. Wer möchte schon beim Anrufen des Call-Centers jedes Mal wieder bei Adam und Eva anfangen, um sein Problem zu schildern, das man schon schriftlich eingereicht oder zwei Tage vorher einem anderen Mitarbeiter erzählt hat. Hürden dieser Art gibt es immer noch zuhauf.
Es müssen also gar nicht immer die weltbewegenden Innovationen sein, die einen Kunden happy machen. Auch kleine, aber unmittelbar erlebbare Schritte im Service können das Leben der Verbraucher ungeheuer vereinfachen. Und damit Kunden jenseits von Produktqualität begeistern und binden. Wer schnell und clever Service als strategisches Marketinginstrument einsetzt, hat noch die Nase vorn und macht sich darüber hinaus unabhängiger von Preisschlachten.
Über den Autor:
W&V-Kolumnist Benedikt Holtappels ist Mitgründer von Grimm Gallun Holtappels in Hamburg. Nach dem Verkauf der Kreativschmiede an Lowe + Partners gehört er nun zur Geschäftsführung der umfirmierten Agentur GGH Lowe.