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Markus Hündgen: "JuliensBlog ist bei uns auf der schwarzen Liste"
Youtuber "JuliensBlog" schockt mit Nazi-Vokabular und Ausfällen gegen die Gewerkschaft GDL. Wie sind der Mann und sein Fall einzuschätzen? W&V hat darüber mit Branchen-Insider Markus Hündgen gesprochen.
Youtuber "JuliensBlog" schockt mit Nazi-Vokabular und angeblich witzigen Ausfällen gegen die Gewerkschaft GDL. Seine öffentliche Entgleisung brachte ihm nicht nur ein großes Medienecho - unter anderem berichteten "Spiegel Online", "Stern" oder "Focus Online" - sondern auch eine Reihe von Strafanzeigen ein. Wie sind der Mann und sein Fall einzuschätzen? W&V hat darüber mit Branchen-Insider Markus Hündgen* gesprochen.
Herr Hündgen, ist das GDL-Video von "JuliensBlog" noch Satire?
Markus Hündgen: Es sind ja bereits einige Anzeigen gegen "JuliensBlog" erstattet worden. Ob das Satire ist, entscheidet dann in letzter Instanz ein Gericht. Bei dem Thema muss man aber zwischen Moral und Justiz trennen. Es gibt im Internet einen Satz, der gut auf "JuliensBlog" zutrifft: Du darfst alles sagen, was du willst, darfst dich aber auch nicht wundern, wenn dich jemand "Arschloch" nennt.
Mit 1,2 Millionen Fans ist "JuliensBlog" ja kein Unbekannter. Provokation ist bei ihm Geschäftsmodell. Er hat schon viele verwerfliche Sachen, zum Beispiel zum Thema Vergewaltigung, gemacht. Das Ganze verkauft er dann unter dem Deckmantel "Schwarzer Humor" – was gerade mit Blick auf seine 14-jährigen Fans, die Satire in dem Alter vielleicht noch nicht so richtig beurteilen, besonders perfide ist. Moralisch gesehen muss deshalb jetzt eine Diskussion erfolgen: Was ist Satire? Was darf sie? Was sind ihre Grenzen? – Das muss jetzt offensiv diskutiert werden, ohne den Kanal "JuliensBlog" zu sperren oder gar zu verbieten. Man würde ihn für seine Fans sonst zum Märtyrer machen.
Wie ist der Medienhype, der jetzt um "Juliensblog" entsteht, zu beurteilen? Ist der gerechtfertigt?
Die Reaktion, die jetzt hochkocht, hat mich ein bisschen überrascht. "JuliensBlog" gibt es nicht erst seit gestern, er gehört ja zu den Top 20 der meistabonnierten Youtuber in Deutschland. Er hat, wie gesagt, schon viele fragwürdige Sachen gemacht – und zwar jede Woche. Dass er jetzt so viel Aufmerksamkeit bekommt, liegt wahrscheinlich an dem Thema der deutschen Vergangenheit. Die Debatte ist aber überfällig und hätte früher kommen sollen: Die Frage ist ja, wie man mit Meinungsmachern wie "JuliensBlog" umgeht. Es gibt schließlich einen schmalen Grat zwischen Humor und Hasstirade.
Sie fördern mit der European Web Video Academy und der Film- und Medienstiftung NRW junge Youtube-Talente. Wie würden Sie dort mit einem Fall á la „Juliensblog“ umgehen?
Bei unserem gemeinsamen Förderprogramm handelt es sich um einen Fördervertrag, der Richtlinien wie den Jugendschutz vorschreibt. Das, was "JuliensBlog" macht, hätte bei uns null Platz. Nach rechtlicher Prüfung würden wir den Vertrag in so einem Fall sofort auflösen. Wir haben "JuliensBlog" übrigens schon auf die schwarze Liste des Deutschen Webvideopreises gesetzt – er ist kein Kandidat, der bei uns einen Preis gewinnen könnte. Seine Inhalte verstoßen gegen das Statut der Academy.
Wie typisch ist der Fall eigentlich für die deutsche Szene? Geht die Youtube-Gemeinde vielleicht einen entgegengesetzten Weg zum Privatfernsehen, das nach seinen wilden Anfangsjahren ja deutlich zahmer geworden ist?
99,9 Prozent der Youtuber ticken anders- auch wenn es ein paar schwarze Schafe gibt. Aktuell macht die deutsche Youtube-Szene eine ähnliche Entwicklung wie das Privat-TV durch: Am Anfang war alles anarchistisch, man hat sich ausgetobt und Grenzen ausgetestet. Dann kam aber die Konsolidierung und der Code of Conduct. Der Markt bildet sich mit zunehmend professionelleren Strukturen neu aus.
In dieser Entwicklung haben sicher auch die Marken eine interessante Rolle gespielt: Wer wirbt da eigentlich? Der Fall "JuliensBlog" sollte da ein längst überflüssiges Memo an die Medienplaner sein, die oft gar nicht wissen, wo ihre Werbung läuft: Schaut mal nach, wo ihr schaltet, und ob ihr das so toll findet.
* Markus Hündgen ist Geschäftsführender Gesellschafter der European Web Video Academy (EWVA) und Gründer des Deutschen Webvideopreises. Er gilt als einer der besten Kenner der deutschen Bewegtbild-Szene. Im Netz ist er auch als "Videopunk" bekannt.