RTL reagiert prompt und weist auf Schwächen hin, die die Studie aus Sicht des Kölner Senders aufweist. Provokation sei rein subjektives Empfinden und äußerst dehnbar, was vom Zuschauer als Provokation empfunden werde und was nicht. Die Studie erwecke fälschlicherweise den Eindruck, als ließe sich Provokation objektivieren, so RTL. Mit Blick auf das gerügte "DSDS" betont RTL: "Eine Skandalisierung wird von uns nicht vorrangig angestrebt. Warum soll in einer Unterhaltungssendung nicht das gezeigt werden, was auch im normalen Leben stattfindet?" Die Darstellung von Realität und die dramaturgische Aufbereitung gehöre zum Geschäft und es gebe Regeln, an die sich der Sender halte, wehrt sich der Privatsender, der die "DSDS"-Folgen der Freiwilligen Selbskontrolle Fernsehen (FSF) vorlegt. Das sei Arbeitsgrundlage. "Alles andere ist eine Geschmacksdiskussion, die nur bedingt sinnstiftend ist", heißt es in Köln.

Der LfM-Studie liegt nach eigenen Angaben eine umfassende repräsentative Untersuchung von Reality TV-Formaten hinsichtlich Grenzüberschreitungen, Tabubrüchen und inszenierten Skandalisierungen zugrunde. Die Studie umfasst zudem qualitative Fallstudien, Gruppendiskussionen mit Jugendlichen sowie Experteninterviews. Wissenschaftler vom Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität Berlin und von House of Research Berlin analysierten Castingshows, Doku-Soaps, Coaching-Formate und andere Formen des Realitätsfernsehens. Insgesamt sind 418 Formate gezählt worden, die im deutschen Fernsehen im Zeitraum von 2000 bis 2009 in 29 privaten und öffentlich-rechtlichen Fernsehkanälen erstausgestrahlt wurden.

Studien-Autorin Margreth Lünenborg ordnet die Ergebnisse und ihre Auswirlungen auf junge Seher ein. "Jugendliche erleben bei den Castingshows eine Art von voyeristischer Sehlust, insbesondere an verbalen Entgleisungen. Verbale Attacken und Beleidigungen werden von Jugendlichen demnach stärker akzeptiert als von Erwachsenen." Erkennbar sei auch, dass Boulevardzeitungen und Fernsehsender im Wechselspiel Skandale provozieren und darüber berichten, um öffentliche Aufmerksamkeit zu erzeugen.


Autor: Petra Schwegler

Die @Schweglerin der W&V. Schreibt seit mehr als 20 Jahren in Print und Online über Medien - inzwischen auch jede Menge über Digitales. Lebt im Mangfalltal, arbeitet in München.