Der von der Bundesregierung geschenkte Marketingansatz sorgt dafür, dass Marken und Kunden wieder enger zusammenrücken. Vor allem dann, wenn die Unternehmen die Preissenkung kommunizieren. Der Drogeriehändler dm ist so ein Beispiel dafür. Und auch die Baumarktkette Hornbach bewirbt die günstigeren Preise auf der unternehmenseigenen Webseite:

Hornbach bewirbt die Preissenkung

Je lauter die Unternehmen auf sich und die neue Preispolitik aufmerksam machen, desto mehr können sie von dieser Sichtbarkeit profitieren. Denn am Ende geht es den Konsumenten gar nicht so sehr um den Preis. Neue Farbe für ihre Küche oder Klopapier und Shampoo kaufen sie sowieso. Und wahrscheinlich auch weiterhin im Geschäft hier Wahl. Aber die Kommunikation der Unternehmen sorgt dafür, dass sie sich Sympathiepunkte bei ihren Kunden sichern. Und die sie gerade in Krisenzeiten viel mehr wert als ein kleines bisschen mehr Umsatz.

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Contra: Noch immer kämpfen viele Handelsunternehmen ums Überleben

Für mache Unternehmen mag die Strategie aufgehen, die Mehrwertsteuersenkung direkt an den Kunden weiterzugeben. Aber bei Weitem nicht für alle. Denn zum einen hängt es vom Warensegment ab, ob der Kunde die minimalen Senkungen überhaupt wahrnimmt. Zum anderen können sich viele Händler die Senkungen nicht leisten. 

Im Supermarkt vergleichen die Kunden Preise. Ich weiß, dass mein Lieblingswein 14,99 Euro kostet und nehme wahr, wenn er jetzt um ein paar Cent billiger ist - auch wenn mich das sicher nicht reich macht. Die Geste des Supermarktes hat für mich zwar kaum einen realen, dafür einen idealen Wert. Ich bekomme das Gefühl, dass er fair handelt und sich nicht an der Senkung bereichern will.

Auch beim Autokauf oder bei anderen hochpreisigen Gütern nehme ich die Weitergabe positiv wahr. In diesem Fall lohnt sich Preisreduzierung für den Kunden ganz real, deshalb stellt sich auch hier eine positive Wahrnehmung des Händlers ein.

Ganz anders sieht das zum Beispiel in der Textilbranche aus. Modehändler reduzieren ohnehin gerade massenweise die im Lock-Down übrig gebliebenen Waren. Wie soll der Kunde da noch erkennen, ob er von der Mehrwertsteuerreduzierung profitiert oder ob der Händler sie einbehält? Wenn das nicht transparent kommuniziert wird, kommt sich der Kunde vielleicht sogar verschaukelt vor. 

Em Ende müssen die Händler Kosten und Nutzen abwägen. Denn es kann je nach Sortimentsgröße ein enormer Aufwand sein, sämtliche Waren umzuetikettieren. Im schlimmsten Fall händisch. Nicht zuletzt muss das Warenwirtschaftssystem angepasst werden. All das kostet Zeit und damit Geld. Wenn am Ende aber nur ein paar Cent Ersparnis für den Kunden dabei rausspringen, ist es nur legitim für den Händler zu sagen, das lohnt sich nicht.

Abgesehen davon kämpfen noch immer viele Handelsunternehmen ums Überleben. Zwar hatten beispielsweise dm, Aldi, Edeka – die die Senkungen weitergeben wollen – oder Amazon – die sich bisher nicht geäußtert haben – keine Einbußen in den vergangenen Monaten, ganz im Gegenteil. Doch die meisten anderen Händler werden die Verluste aus dem Lock-Down nicht mehr rausholen können.

Unter diesen Voraussetzungen ist es nur nachvollziehbar zu sagen: 'Die Mehrwertsteuersenkung sichert mein Überleben, während sie für den einzelnen Kunden kaum einen Unterschied macht. Deshalb gebe ich sie nicht weiter.'

Am Ende profitiert der Kunde auch, wenn die Maßnahme der Bundesregierung hilft, die Vielfalt im Handel zu erhalten. Spannend bleibt noch, wie Corona-Profiteur Amazon mit dem Thema umgeht. 


Lena Herrmann
Autor: Lena Herrmann

hat bei der W&V ihr journalistisches Handwerkszeug gelernt und dort viele Jahre lang hauptsächlich markenstrategische Themen verantwortet, bevor sie sich als freiberufliche Journalistin und Podcast-Redakteurin selbstständig gemacht hat. Zudem hat sie die Podcast-Formate der W&V maßgeblich entwickelt und betreut. Sie ist Podcast-Host und steht regelmäßig als Moderatorin auf der Bühne.